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Heiliges Land - Wallfahrt
Die unbedeutenden Stätten des Heiligen Landes
Giuseppe Frangi

Golgota, das Heilige Grab, die Geburtskirche und andere Stätten, in denen Gott Fleisch geworden ist. Es sind zugleich die Stätten unseres alltäglichen Lebens

Es ist jener «unbedeutende Ort» in Nazareth, wo die Verkündigung Mariens stattgefunden hat, der einzige Ort, wo ein «hic» das «verbum caro factum est» begleitet. Hier ist das Wort Fleisch geworden. Ein weiterer «unbedeutender Ort» ist das Haus des Josefs. Die franziskanischen Archäologen haben diese Orte wiederentdeckt, die ein kleine Siedlung in Galiläa bildeten. 150 Kilometer weiter südlich gibt es noch andere «unbedeutende Orte»: jener im Ein Karem, wo das Haus Elisabeths stand und in dem Johannes der Täufer geboren wurde; und vor allem in Bethlehem, wo sich die in den Fels gehauene Stelle befindet, die noch kleiner als die anderen ist und an der Jesus geboren wurde. «Beeindruckend ist, dass alles dort entstand, in jenen unbedeutenden Orten, in einer absoluten Armut», sagte Don Giussani in einem seiner Gespräche auf seiner Reise ins Heilige Land. Und dies ist ein so wirkliches, reales Bild, dass man sich dessen unweigerlich bewusst wird, wenn man durch dieselben Straßen schlendert. Ja, es lässt einen erschaudern, wenn man auch an die anderen übrigen Orte besucht: jenen von Golgota, die Kirche des Heiligen Grabes, wo man mit der Hand den Felsen berühren kann; oder wenn man am Heiligen Grab steht, wo man sich bücken muss, um hineinzugelangen; oder wenn man zum Eingang der Geburtskirche kommt: ein winziges Tor in der riesigen Mauer, die einer Festung gleicht, und absichtlich so unproportional klein gemacht wurde, damit in früheren Zeiten alle vom Pferd absteigen mussten, um hineinzuge-langen.
Dem Pilger wird deutlich, dass die Existenz dieser «unbedeutenden Orte» ein ständiger Aufruf zur Armut ist. Bei genauerem Hinschauen, entdeckt man aber, dass es nicht der einzige Aspekt ist und jene Orte nichts anderes als die Normalität in jener Zeit bedeuteten. Man entdeckt, dass die meisten Menschen in solchen Umständen lebten und nur eine priviligierte Minderheit sich dieser Alltäglichkeit entzog.
So kommen einem Zweifel, ob die schönen «weihnachtlichen» Reden um die Geburt Christi viel mit der Wirklichkeit zu tun haben und nicht doch nur eine sehr romantische, ein wenig willkürliche Form der Verehrung sind. Dann stellt man sich die Frage: an welchen «Orten» würden es heutzutage sein? Die Antwort kommt automatisch, wenn man daran denkt, dass die Normalität das Kriterium ist. Damit wäre dieser Ort eine 60 Quadratmeter Wohnung im achten Stock eines Wohnblocks oder in einem kleinen Reihenhaus mit einem winzigen Garten. Es wäre ein Ort, der keine Vorbedingung hat und aufgrund einer absoluten Ungeschuldetheit gewählt wird. Wie Nazareth, eine kleine Stadt in Galiläa, von der niemand gedacht hätte, dass «von dort etwas Gutes kommen kann».
Die «unbedeutenden Orte» sind Orte, die scheinbar leer sind, aber es sind Orte, an denen man die Demut und das Bewusstsein einer absoluten Armut hingibt, und Gott alles andere hinzufügt. Es passiert dort, wo man mit einer Erwartung lebt. Es ist die Küche oder der Schreibtisch, an dem du lernst oder arbeitest, begleitet nur vom Ticken der Uhr.
So sagt Don Giussani: «Jene ,unbedeutenden Orte' beeindrucken mich deswegen, weil das Christentum in seinem Wesen genauso anfängt. Immer.» Dies habe ich verstanden, als ich aus dem Heiligen Land zurückgekehrt bin.