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Alain Finkielkraut
Leben und Werk
Anna Leonardi

Alain Finkielkraut wurde 1949 in Paris als einziges Kind eines polnisch-jüdischen Kaufmanns geboren. Der Vater hatte das Konzentrationslager Auschwitz überlebt. Finkielkraut studierte Philosophie und befasste sich dabei besonders mit den Gedanken von Emmanuel Levinas und Hannah Arendt. Derzeit unterrichtet er Ideengeschichte am Institut für Geistes- und Gesellschaftswissenschaften der Technischen Hochschule in Paris.
Ende der 70er Jahre verfasste er zusammen mit Pascal Bruckner einige kurze Essays über das Versagen der scheinbaren Befreiung von allen Gesellschaftsregeln, Le Nouveau Désordre amoureux (1977), Au Coin de la rue l' aventure (1979). Diese Zusammenarbeit gab er später auf. Dann befasste er sich mit dem Problem des Verlustes des gemeinsamen Gedächtnisses und der allgemeinen Gleichgültigkeit gegenüber gesellschaftlich relevanten Ereignissen. Diese Gedanken führten ihn bald zum Thema der jüdischen Identität in der Epoche nach dem Holocaust: Le Juif imaginair (1983). Aus seinem Wunsch heraus, die Bedeutung des Gedächtnisses hervorzuheben, entstand das Werk Avenir d' une négation: réflexion sur la question du génocide (1982) und später ein Kommentar über den Prozess gegen den nationalsozialistischen Verbrecher Klaus Barbie, La Mémoire vaine. La Sagesse de l' amour gilt als Hommage an den Philosophen Emmanuel Levinas: Finkielkraut betrachtet sich als dessen Jünger, da er einige seiner Grundgedanken weitergeführt hat. 2001 veröffentlichte er Internet,l' inquiétante extase, ein Werk über die Risiken des Internetzeitalters. Seine Überlegungen über die Rolle des Intellektuellen und die Täuschungen der Moderne finden wir in verschiedenen Werken: La Défaite de la pensée (1987), Ingratitude: conversation sur notre temps (1999). Öffentlich wandte er sich leidenschaftlich gegen den Verfall der Gesellschaft und die Barbarei von Krieg und Terror. In seinem L' Imparfait du présent (2002) befasst er sich in diesem Zusammenhang mit der Balkankrise sowie den Attentaten vom 11. September. Für breite Polemik sorgten seine Stellungnahme zu den Krawallen in den Vororten von Paris. In einem Interview mit der linksliberalen israelischen Zeitung Haaretz hatte er den Ausbruch der Gewalttätigkeiten auf die ethnische und religiöse Herkunft der Täter zurückgeführt. Kritiker warfen ihm daraufhin vor, einem gefährlichen Rassismus Vorschub zu leisten.
Zu seinen auf Deutsch erschienenen Hauptwerken zählen: Die neue Liebesunordnung (1977), Der eingebildete Jude (1979), und Der Verlust der Menschlichkeit (1999).