Logo Tracce


Thema - Der neue Laizismus
Wer die Kirche vernichtet, vernichtet auch sich selbst
Luca Pesenti

Welche Aufgabe hat die Kirche in der Welt? Darauf kann man antworten: «das Gewissen der Christen auf den Weg des Heils zu führen». Das heißt aber, die Kirche in die Privatsphäre zu verbannen, hinter Kirchenmauern, zu leisem Gebet. In der Öffentlichkeit darf man dann nichts tun. Man darf in Schulen keine Kreuze aufhängen oder Krippen aufstellen, im TV-Abendprogramm nicht über Maria sprechen oder gar bei moralisch sensiblen Themen an das Gewissen appellieren. Demnach gibt es nichts, was die Kirche, soweit es sie dann überhaupt noch gibt, etwas angeht.
Es gibt aber auch eine andere Antwort. Aufgabe der Kirche ist es, die Person, das Ich zu schützen, das Herz eines jeden Menschen wieder auf den Ursprung aller Dinge hin zu öffnen, die Sehnsucht wach zu halten, die wahre Schönheit aufzuzeigen. Räumst man also die Kirche aus dem Weg, dann auch zugleich sich selbst.
Spuren hat bereits von den jüngsten Vorwürfen gegen Benedikt XVI. berichtet, dem in Italien vorgehalten wird, sich in weltliche Angelegenheiten einzumischen. Im Folgenden soll nun erläutert werden, welchen Beitrag die Kirche zum gesellschaftlichen Leben leistet, wenn sie für die Freiheit aller Menschen, also nicht nur der Christen, eintritt.

Offenheit zum Unendlichen
Deshalb, so Giorgio Vittadini, weist die Kirche ständig auf die wesentliche Frage hin: «die Beziehung zwischen Herz und Vernunft. Sie gibt der Offenheit zum Unendlichen wieder den angemessenen Stellenwert, nämlich als einen Aspekt der Wirklichkeit, ohne den kein Problem auf angemessene Weise, das heißt unter Berücksichtigung aller Aspekte der Wirklichkeit, in Angriff genommen wird». Man braucht nur zu sehen, wie die derzeitige Krisensituation angegangen wird. Auf der einen Seite der Staat, auf der anderen der Markt und man tut so, als genüge es, die Mechanismen zu schmieren, damit sich die Probleme von selbst lösen. Die Tatsachen zeigen aber, dass dies ist aber reine Illusion ist.
«Weder die Befürworter staatlicher Interventionen, noch die Markt-Liberalen bringen den Menschen in seiner Beziehung zur Wirklichkeit mit ins Spiel», beklagt Vittadini. «Sie tun so, als ließen sich die Dinge mechanisch lösen und als könne man das betroffene Subjekt außer Acht lassen. Damit reduziert sich Politik auf die Frage von Koalitionen und wechselnden Mehrheiten, die Gesundheitspolitik auf das Problem, Mechanismen zum Schutz des Lebens zu finden, ja der Sinn des Lebens auf simple Psychologie. Die menschlichen Beziehungen reduziert man auf soziologische Begriffe, in denen die Besonderheit des Menschen verschwindet, und das Wohlergehen auf wirtschaftliche Mechanismen, in denen das Subjekt verschwindet. Was fehlt, ist die Freiheit des Ich, also seine Fähigkeit, Verbindung mit der Wirklichkeit aufzunehmen und den schöpferischen Antrieb wiederzugewinnen, der für Probleme Lösungen auch jenseits alles Absehbaren findet.»

Kulturelle Neuigkeiten
Damit sind wir auch bei der Antwort auf die anfangs gestellte Frage: Die Kirche macht die Offenheit des Menschen dem Unendlichen gegenüber zum Thema. Beispielhaft für Vittadini ist hier: «der Kampf für das Leben in der Genmedizin, indem der Mensch als einzigartiges und unwiederholbares Wesen in den Mittelpunkt gestellt wird, oder das Thema des Menschen als Handelnder in der Wirtschaft, der dank seiner schöpferischen Intelligenz und seiner Fantasie fähig ist, Neues zu schaffen», ferner der politische Vorrang von Inhalten und moralischem Verhalten vor der Zugehörigkeit zu politischen Lagern. Die Kirche ist also fähig, kulturell Neues zu schaffen, indem sie von einem scheinbar banalen, aber in der Geschichte nur zu oft geleugneten Tatbestand ausgeht: Wenn der Mensch sich nicht ändert, wenn man ihn nicht ständig erzieht, wird sich auch die Struktur der Gesellschaft nicht ändern können. Deshalb ist die Änderung des Ich, seine Erziehung, nicht einfach Privatsache, sondern zentrales Element des Wandels in der Geschichte. Eigentlich sollte dies spätestens mit dem Scheitern der Utopien klar geworden sein. «Doch scheint die Änderung des Ich immer noch als Frage angesehen zu werden, die keinen Einfluss auf die Geschichte hat», beklagt Vittadini.

Beispiele, die verallgemeinert werden können
Deshalb muss die Kirche heute notwendigerweise einen Dialog über die großen Anliegen führen und konkrete Beispiele für das geben, was sie vertritt. Dabei reichen sicherlich Reden und moralische Appelle nicht aus. Vittadini betont aber, «dass bestimmte Tatsachen durchaus als Beispiele verstanden werden müssen, die sich verallgemeinern lassen. Denn die Erfahrung unserer Freundin Rose in Kampala/Uganda, von AVSI in Salvador de Bahia/Brasilien oder die Vorstellungen des Unternehmers Michelin zur Unternehmensführung sind allgemeingültige Beispiele dafür, wie man Probleme auf eine andere, neue Art und Weise angehen kann». Wäre die Kirche nicht, gäbe es diese Zeugnisse für eine Menschlichkeit nicht.