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Literatur - C.S. Lewis
Überrascht von der Anziehungskraft des Christentums
Laura Cotta Ramosino

Zuerst wandte er sich entschieden vom Christentum ab und verschrieb sich dem Atheismus. Dann kam es zur Begegnung mit Tolkien und Dyson, es folgten die Gespräche mit Freunden im Literatenzirkel der Inklings und später die Konversion, die Lewis auch in sein literarisches Werk einfließen ließ

Vier Freunde, die gemütlich bei einem Bier zusammensitzen. Das ist nicht gerade das, was man sich unter dem bekanntesten Literatenzirkel Englands des letzten Jahrhunderts vorstellt. Und doch war es in einem solchen Ambiente, um genau zu sein in einem Oxforder Pub, dem Eagle and Child, wo einige der schönsten Bücher des vergangenen Jahrhunderts entstanden, geschrieben von vier Freunden, die sich den Namen Inklings gegeben hatten, da die «Tinte» (engl. ink), das heißt die Schriftstellerei, ihrer aller Leidenschaft war.
Wenn es eine Tugend gibt, die bei Clive Staples Lewis (die, die ihn besser kannten, nannten ihn einfach Jack) im Übermaß vorhanden war, dann war es die Fähigkeit, sich mit Freunden zu umgeben, mit denen er sich zumeist heftige Diskussionen über Literatur, Philosophie und Fragen der Moral und der Religion lieferte. Sie lasen aber auch gemeinsam die ersten Kapitel der Werke, an denen sie gerade schrieben. Und auf diese Weise entstanden einige von Lewis bekanntesten Werken: Die Chroniken von Narnia, aber auch die so genannte Perelandra-Trilogie sowie das Hauptwerk seines Freundes Tolkien Der Herr der Ringe.

Ein papsttreuer Philologe
Einer der Inklings spielte in Lewis Leben eine besondere Rolle: J.R.R. Tolkien. Lewis lernte ihn kennen, als er in Oxford als Dozent zu unterrichten begann. Tolkien trug sehr zu seiner Konversion bei. «Als ich auf die Welt kam, wurde mir gewissermaßen ,zwischen den Zeilen' eingeschärft, niemals einem papsttreuen Katholiken zu vertrauen, und bei meiner Ankunft an der Fakultät für Anglistik hieß es - keineswegs hinter vorgehaltener Hand -, ich solle keinem Philologen trauen. Tolkien war sowohl das eine als auch das andere.» Und doch empfanden beide irgendwie gleich eine große Wertschätzung füreinander: Der starrsinnige katholische Philologe mit einem Tick für neu erfundene Sprachen und der Ire mit seinem Faible für altnordische Mythen und mittelalterliche Allegorien, auch wenn Lewis zu dem Zeitpunkt, zumindest theoretisch, noch sehr weit vom Glauben entfernt war. In Vier Arten der Liebe, einem seiner schönsten Werke, finden sich einige außergewöhnlich schöne und tiefgehende Seiten über die Freundschaft als etwas, das zwei Personen gemein haben, die nicht einander anschauen, sondern «auf das gemeinsame Anliegen schauen»; an einer anderen Stelle schreibt Lewis, dass es nichts Schöneres auf der Welt gibt, als wenn Freunde zusammen kommen, die Christen sind. Es besteht kein Zweifel, dass Lewis diese Schönheit persönlich erfahren hat.
In der anglikanischen Familie, in der Lewis heranwuchs, war der Glaube Teil des Alltags. Aber nach dem Tod seiner Mutter, auf den hin er - was für seine Zeit ganz normal war - in ein Internat geschickt wurde, an das er sein Leben lang die schlimmsten Erinnerungen zurück-behalten sollte, begann Lewis, sich vom Glauben zu entfernen. Seine atheistische Haltung verstärkte sich unter dem Einfluss seines Lehrers W.T. Kirkpatrick, eines praktizierenden Atheisten und gewandten Dialektikers. Nachdem der junge C.S. Lewis in Oxford eine gesicherte und anerkannte Position erreicht hatte, konnte er sich als brillanter, rationalistischer Gelehrter mit seinen intellektuellen Überzeugung und der viel versprechenden Karriere höchst zufrieden geben.

Der «verlorene Sohn»
Doch das Problem, wie Lewis in seiner Autobiographie Überrascht von Freude ironisch einräumt, besteht darin, dass der Herr kein leichter Gegner ist. Er liebt es, seine Pfeile dorthin abzuzielen, wo man es am wenigsten vermuten würde ? So riefen bei ihm gerade die altnordischen Mythen, die er über alles liebte, ein eigenartiges Gefühl hervor, etwas, das er selber «Freude» nennt, ein Gefühl von Sehnsucht und Schönheit, die nur etwas Faszinierendes hervorzurufen vermögen und die unausweichlich zu dem Anderen führen, einem Unendlichen, das nie völlig begriffen werden kann, aber dennoch real ist. Es vergingen Jahre, bis Lewis verstand, dass sich hinter dieser wunderbaren Erfahrung der Anruf Gottes verbarg, durch den dieser seinen «verlorenen Sohn» wieder an sich ziehen wollte. Und so musste der «Herr Professor» nach und nach, und beinahe gegen seinen Willen, die Existenz jenes Gottes anerkennen, den er in seiner Jugend zurückgewiesen hatte.
Da war natürlich immer noch das Problem, dass die Christen, wie es im Rolandslied heißt, «zwar Unrecht hatten, aber die anderen langweilig waren». Und jemandem wie Chesterton gestand Lewis zu, dass er «der vernünftigste Mensch auf Erden war ? obwohl er sich zum christlichen Glauben bekannte». Am Ende waren es allerdings die nächtlichen Gespräche mit Tolkien und einem anderen Oxforder Kollegen, Hugo Dyson, die ihn endgültig kapitulieren ließen: Das Christentum war nicht nur philosophisch gesehen vernünftig, sondern hatte die Schönheit eines Mythos, den Gott, aus freien Stücken, wahr gemacht hatte.

Dienstanweisungen an einen Unterteufel
Nach seiner Konversion stellte Lewis seine Begabung als brillanter Dialektiker in den Dienst der Glaubensverkündigung. Er hielt Vorträge im Radio, reiste in ganz England umher und sprach und diskutierte mit den Leuten über seine Erfahrung als Christ, aber auch über Wunder, das Problem des Leids und die Beziehung zur zeitgenössischen Kultur. So entstanden seine «apologetischen» Schriften. Die Konkretheit, die darin mit Händen zu greifen ist, bezeugt am deutlichsten, dass Lewis all diese Zweifel und Ungewissheiten, wie alle Erfahrungen, von denen er schreibt, selbst durchlebt hat in den Jahren, als er - wie Jakob - noch mit Gott rang. So wie er in seinem wohl bekanntesten Werk, der Dienstanweisung für einen Unterteufel auf die Erfahrung zurückgreift. Sie ist ein Briefwechsel zwischen einem Oberteufel und seinem Neffen, dem er bei seinem ersten Auftrag mit seinem reichen Erfahrungsschatz unter die Arme greift. Lewis deckt hier mit beißender Ironie alle Heucheleien auf, mit der die Moderne das einfache Prinzip der Sünde verschleiert.

Fantasiegeschichten
Die unversiegbare Fantasie eines Lewis, immer wieder neu genährt von Lektüren unterschiedlichster Art, zeigt sich auch in seinen Fantasiegeschichten. Vor dem Erscheinen von Harry Potter waren seine sieben Folgen der Chroniken von Narnia (von denen der erste Band) die meist gelesenen Bücher im angelsächsischen Raum. Der erste Band, Der König von Narnia läuft derzeit gerade im Kino. Die Märchenwelt Narnia, in die man durch einen nicht zu unvorhergesehenen Zugang in einem Wandschrank gelangt, ist nicht nur der Rahmen für außergewöhnliche Abenteuer mit sprechenden Tieren, Hexen, Faunen und Einhörnern, sondern auch eine Möglichkeit, Kindern in allegorischer Form die Geschichte der Erlösung durch das Opfer Jesu zu erzählen. In der Erzählung wird Christus durch den Löwen Aslan symbolisiert, den Sohn des Kaisers von Übersee. Er gibt sein eigenes Leben hin, um das eines der vier Kinder zu retten, das ihn zuvor sogar verraten hat. Am Ende wird er auferstehen und die Macht der bösen Weißen Hexe brechen.
Auch durch die Perelandra Trilogie ermöglicht Lewis seinen Lesern den Zugang zur Heilsgeschicht. Es sind hier die Raumfahrten eines Philologen (für diese Figur stand ihm Tolkien Pate), durch die er einige zentrale Aspekte der christlichen Lehre wie den Sündenfall vermittelt.
Gleich ob es sich nun um Romane, allegorische Werke oder Essays handelt, was den Leser an Lewis Werken fasziniert, ist die Art und Weise, wie er ihm begegnet: Gewiss in dem, was er ihm mitteilen möchte, und immer mit ihm auf dem Weg, ohne Angst, selbst Schwächen zu zeigen (wie in dem beeindruckenden Tagebuch eines Schmerzes, das er nach dem Tod seiner Frau schrieb), gerade weil er erfahren hatte, dass das Heil Werk der Gnade ist und der Mensch die «Hinweisschilder» entdecken muss, die Gott in der Wirklichkeit aufstellt, um ihn an sich zu ziehen.