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Thema - das Herz
Für den, der glaubt, kein Problem
L. Grandoni

Wir geben im Folgenden ein Interview der italienischen Zeitschrift Panorama mit Giussani aus dem Jahr 1978 wieder.

Von den Gefährten der neuen Linken wurden die Jugendlichen von CL sofort als «alte Jungfern» auf den Arm genommen. Doch sind die Ciellini überhaupt nicht verängstigt, praktisch die Einzigen zu sein, die die Abstinenz verherrlichen. Sie scheinen das richtige Rezept gefunden zu haben, um die fleischlichen Versuchungen zu beherrschen. Und dies, ohne sich in einen Konvent zurück-zuziehen oder die Vermischung der Geschlechter zu umgehen: Wenige unter den Jugendgruppen führen ein so intensives Gemeinschaftsleben. Sie singen, spielen, diskutieren und organisieren Ferien grundsätzlich zusammen. Aber sie schlafen nicht zusammen, ohne verheiratet zu sein. Ist dieses Leben einfach zu führen? Und führt es wirklich zu Harmonie, geistiger Befriedigung und Reife des Charakters, wie CL nicht müde wird, zu erklären? Panorama hat Don Giussani, Professor für Moral an der katholischen Universität von Mailand und Gründer von CL - vormals der studentischen Jugend (Gioventù Studentesca) - gebeten, zu erläutern, wie diese jungen Christen ihr Sexualleben angehen.

Wird Sex im kirchlichen Kontext noch in Funktion von Ehe und Fortpflanzung gesehen?
Das Wichtigste, was mir gelehrt wurde, war, dass die Art und Weise, die menschliche Existenz zu verstehen, vernünftig sein muss. Und mir scheint, dass man, um vernünftig zu sein, vor allem ein Teilproblem des Menschen nicht von seiner Gesamtheit isolieren darf. Die christliche Tradition hat gerade aufgrund der biblischen Unterweisung niemals die Wichtigkeit der Beziehung zwischen Mann und Frau für die umfassende Erziehung der Persönlichkeit, das heißt für das Bewusstsein der eigenen Beziehung zur Welt, der eigenen Aufgabe und Bestimmung missachtet. Zur Ehe, dem Bereich der radikalsten Funktion für die Natur, sagt das Zweite Vatikanische Konzil, dass die geschlechtliche Liebe ein besonderes Zeichen der ehelichen Freundschaft sowie freies und gegen-seitiges Geschenk seiner selbst ist und dass dessen überwältigender Ausdruck die Kinder sind.

Akzeptieren die jungen Katholiken noch die Gleichung «Sex außerhalb der Ehe gleich Sünde»?
Ein junger Katholik, der ernsthaft versucht, seinen Glauben zu leben, das heißt die christliche Auffassung vom Menschen und seiner Bestimmung, wünscht eine Entwicklung seiner Person, die einheitlich, intensiv und ausgeglichen ist und deswegen geordnet, «beherrscht». Es ist der katholischen Lehre klar, dass der angemessenen Umgang mit der Sexualität in eine grundlegende soziale Verantwortlichkeit eingebunden ist, jene der Fortpflanzung und Erziehung, und damit in der Stabilität einer solchermaßen notwendigen Verantwortung. «Sünde» bedeutet, einer idealen Ordnung weniger zu entsprechen. Die Zerbrechlichkeit des Menschen bezüglich der Beherrschung seiner selbst ist in diesem Fall groß: Es ist aber keine Frage von Skandal oder Aufruhr, sondern vielmehr von Schmerz.

Fühlen die Jugendlichen gegenüber der Vergangenheit das Bedürfnis, sich mit einem Priester auseinanderzusetzen oder lösen sie ihre Probleme selber?
Wer das Leben als Weg versteht, für den ist diese Auseinandersetzung wie eine Begleitung. Die jungen Leute wünschen und suchen sie auch. Auch wenn die Verantwortlichkeit des Urteils und der Entscheidung die ihre ist.

Wie hat sich die Sprache der Erzieher geändert?
Sehr. Mir scheint, dass man mehr Gewicht auf das zentrale Problem legt: Wie man den Glauben erwecken und zu diesem erziehen kann, also zum wahren und umfassenden Sinn des Lebens.

Was ist ihre Haltung gegenüber der Jungfräulichkeit und den vorehelichen Beziehungen, der Keuschheit? Was bedeutet dies konkret für einen Katholiken?
Mir scheint, dass ich darauf schon geantwortet habe. Für einen Katholiken geht es darum, die eigenen Fähigkeiten für ihr umfassendes Ziel zu benutzen und nicht egoistisch zu reduzieren. Was die Jungfräulichkeit betrifft, so ist sie eine Möglichkeit, die Beziehungen tiefer zu leben und damit Christus nachzuahmen. Jesus selbst hat im Evangelium gesagt: «nicht alle werden diese Worte verstehen.» Schwierigkeiten und Inkohärenzen löschen nicht den Willen dessen aus, der sich mit ernsthaftem Bewusstsein auf den Weg gemacht hat.