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Gesellschaft
Freie Menschen, die die Erde bebauen
Mario Molteni

Die zweite Folge unserer Reise in die Welt der Unternehmer. Dieses Mal auf dem Land zwischen Mailand, Piacenza und Siena, wo wir Luca Brambilla getroffen haben, den Vorsitzenden dreier landwirtschaftlicher Genossenschaften. «Der Unternehmer muss riskieren und darf Fehler nicht fürchten.»

Der zweite Unternehmer der Serie ist Luca Brambilla, 45 Jahre, Vorsitzender zweier landwirtschaftlicher Genossenschaften, die drei Betriebe in der Provinz von Mailand (Reis und Gartenprodukte), bei Piacenza (500 Milchkühe) und bei Siena (Getreideanbau sowie Tierhaltung und Jagd) umfassen.

Wie hast du angefangen?
Ich habe mit einem Vorschlag angefangen, den mir Don Giussani am Ende meines Studiums machte, als ich begann, den Weg der Memores zu gehen. Während eines Gesprächs sagte er mir, dass er gegen Ende der siebziger Jahre den Wunsch hatte, dass einige von den Memores auf dem Land arbeiteten, und er schlug mir vor, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Ich hatte andere Pläne, aber dieser Vorschlag eröffnete mir eine neue Möglichkeit. So bin ich mit 25 Jahren in die Nähe von Piacenza gezogen, wo ich im wahrsten Sinn des Wortes meinen Beruf erlernen musste.
In Piacenza haben wir mit der Viehzucht angefangen, wobei wir ein beträchtliches Kapital in den Erwerb von Milchquoten investierten. Dazu regte uns Don Gius an. Er sagte, dass ein Unternehmer riskieren müsse und Fehler nicht fürchten dürfe: «Das, was mich interessiert, ist eine positive Richtung.» Ich erinnere mich an einen sinnbildlichen Vorfall: Im Sommer 1991 gab es einen Brand auf unserem Heuboden, der auch einen Teil der Ernte zerstörte. Am Abend danach kam Don Gius zu uns zu Besuch, weil er wissen wollte, wie es uns ging. Er sagte uns: «Ich hoffe, dass euch diese Tatsache nicht aufhält, denn aus dieser Schwierigkeit wird eine schönere und zweckmäßigere Lösung entstehen. Wehe dem, der sich von Fehlern blockieren lässt». Dann hielt er an einem gewissen Punkt inne und fragte: «Aber als alles in Flammen aufging, gab es da unter euch zumindest einen, der sagte: "Herr, ich biete es Dir an!" (Signore ti offro)?» Immer, wenn er vorbeikam, um uns zu besuchen, machten wir einen Rundgang durch den ganzen Betrieb. Er stellte andauernd Fragen und wollte alles wissen: Warum dieses, warum jenes, was denkt ihr über dieses. Und er sagte: «Schaut, hier ist es äußerst einfach, denn es gibt den Himmel, die Kuh und Gott.»

Wie habt ihr es geschafft, in einem so schwierigen Bereich zu überleben und euch darin zu entwickeln?
In den ersten Jahren bestand unsere Arbeit hauptsächlich darin, den Beruf der Menschen aus unserer Umgebung zu erlernen zu versuchen. Als ich ankam, produzierte der Betrieb Jungrinder, aber es lief nicht gut. Als Erstes habe ich die Geschäftszahlen (i numeri) geprüft und beschlossen, dass wir es aufgeben mussten, weil wir damit nur Verluste erzielten. Ich dachte an Milchkühe, um den Boden so gut wie möglich aufzuwerten: Wer Vieh aufzieht, produziert Mais und Heu, Produkte, die man auch auf Böden wie den unseren anbauen kann, die nicht gerade erstklassig sind. Und dann erlaubte es die Viehzucht, die Arbeitskraft auf der organisatorischen und technisch-wissenschaftlichen Ebene aufzuwerten, die wir in der Zwischenzeit aufbauten. Eines der großen Probleme in den Viehzuchtbetrieben, weswegen sie gewöhnlich geschlossen werden, ist der hohe Arbeitsaufwand, der dafür erforderlich ist: Die Kühe muss man auch an Weihnachten melken und wenn man nicht eine gewisse Größe erreicht, ist es nicht möglich, das Personal rotieren zu lassen und Erholungstage einzurichten. Zur Zeit ist der Betrieb von Piacenza der drittgrößte der Provinz, einer Gegend, in der es 1990 noch 2200 Viehzüchter gab, während es heute nur noch etwa 500 sind. Die Gesamtproduktion ist aber nicht gesunken: Wir haben zum Beispiel die Milchquoten von 19 anderen Betrieben aufgekauft, die die Produktion eingestellt haben. Eine andere interessante Sache in diesen Jahren war die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben der Viehzüchter von Piacenza. Unsere Anwesenheit wurde sehr gut aufgenommen, und zwar so weit, dass wir zusammen mit einer kleinen Gruppe von Viehzüchtern eine Vermarktungsgenossenschaft aus der Taufe gehoben haben. Die Milch verkauft man ja über einen Jahresvertrag, der den Preis fürs ganze Jahr festsetzt, und die einzelnen kleinen Viehzüchter befinden sich dabei gegenüber den Molkereien in einer benachteiligten Lage. Die Genossenschaft, die etwa 35% der Milchproduktion der gesamten Provinz umfasst, hilft viel bei den Preisverhandlungen und hat es uns erlaubt, günstige Verträge mit Großabnehmern zu schließen.

Du hast gesagt, dass es 1990 noch 2200 Viehzüchter gab und heute nur noch 500. Wem ist es gelungen, weiterzumachen?
Derjenige, der Veränderungen vornehmen konnte, weniger an der Technologie als viel mehr am Management, also an der Verwaltung der Datenträger (la gestione col supporto die dati). Die Kühe senden ununterbrochen «Signale» aus: Die eine, weil sie krumm, die andere, weil sie gerade läuft. Es geht darum, die Daten zu lesen und zu verstehen, inwiefern das, was passiert, eine Antwort sein kann auf deine Art und Weise, wie du sie behandelst. Aus diesem Blickwinkel ist es interessant gewesen, uns mit der Erfahrung der Amerikaner zu vergleichen, bei denen die Dimensionen viel größer sind.

Gibt es eine Episode in deiner Erfahrung aus diesen Jahren, an der du besonders hängst?
Eines Tages kam ein bekannter Viehzüchter aus Piacenza, der über 70 Jahre alt ist und einen großen Betrieb auf den Schultern hat, zu uns zu Besuch, um uns ein Handelsabkommen vorzuschlagen. Dieser Herr fing an, sich umzuschauen, und hat uns dann zwei Stunden lang mit Fragen bombardiert. Am Ende sagte er zu mir: «Seit so vielen Jahren laden Sie mich ein, di venire in azienda da voi. (Er war eine der Personen, bei denen ich anfangs um Rat fragte.) Ich habe vor kurzem den Betrieb restrukturiert: Wenn ich früher gekommen wäre, hätte ich es mit euch gemacht» - beziehungsweise mit einfachen Strukturen und viel Einsatz im Management - «Ich hätte nicht gedacht, dass Leute, die nicht vom Beruf sind, das schaffen können, was ihr geschafft habt!» Aber das Interessanteste sagte er kurz, bevor er wegging: «Die Sache, die mich am meisten beeindruckt, ist die Art und Weise, wie ihr denkt.» Dieser Satz ließ mich verblüfft zurück, und zwar so sehr, dass ich die Sache zum Thema machte, als ich mich mit meinen Leuten zum Mittagessen traf.

Und was hast du gesagt?
Das war meine Beobachtung: Schaut, den Betrieb haben wir aufgebaut, aber die Art und Weise, wie wir denken, ist das Einzige, was nicht wir gemacht haben! Das Denken haben wir von einem anderen gelernt. Das, was wir in der Bewegung gehört haben, ließ uns auch den Betrieb besser verstehen, und zwar so sehr, dass es die anderen bemerkten. Im Wesentlichen haben wir drei Dinge gelernt: vor allem den Realismus, bis zur positiven Hypothese; dann die Unentgeltlichkeit im Tun; und schließlich, die Personen nicht nur als Ressourcen für den Betrieb zu sehen, sondern als das Ziel, wofür man arbeitet. Als wir 1995 den Betrieb in Mailand gekauft haben, hat Don Gius erfahren, dass es dort vor uns einen Pächter gab, mit dem auch dessen gerade verheirateter Sohn gearbeitet hatte: Ich musste ihm versprechen, dass wir ihn halten werden, zu welchem Preis auch immer.

Aber weshalb interessierte sich Don Giussani für diesen Betrieb?
Das letzte Mal, als wir mit ihm darüber sprachen, sagte er uns, dass dies ein Traum war, den er seit den Zeiten seiner ersten Messe hatte: Dass es freie Menschen gäbe, die die Erde bebauen. Er hat uns immer wieder gesagt, dass die Beziehung, die der Mensch mit der Natur hat, mit der Wirklichkeit in der Arbeit auf den Feldern, für denjenigen die ideale Beziehung ist, der das Gedächtnis leben will, der also Christus erkennen will, weil das Gedächtnis nichts zu dem hinzufügt, was es gibt.