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Litteræ communionis
Briefe Oktober 2006
Zusammengestellt von Paola Bergamini

Fondo comune
Jorge aus Rio de Janeiro hat uns diesen Brief geschickt, den er von einer Freundin erhalten hat.
Der Fondo Comune war für mich immer eine wichtige Sache im Leben. Ich weiß, dass er ein Gestus ist, bei es keinen Platz für Diskussionen gibt. Aber es war für mich immer schwierig dies frei zu tun und mich mit meinem Mann darüber zu einigen. Denn wir stecken in finanziellen Schwierigkeiten und abgesehen von seiner Angst, dass es uns am Nötigsten fehlt, hatte er eine andere Einstellung dazu. Daher waren die letzten Exerzitien der Fraternität für uns entscheidend. Denn auch Fernando hat nun die Bedeutung des Fondo Comune verstanden. Nicht wegen der Höhe, sondern wegen der Treue zum Gestus, wie ich es erfahren habe. Er sagte mir, dass es ihm vorkam, als habe er eine Ohrfeige erhalten, als Carrón darüber sprach. Aber es sei gut gewesen! Wir sprachen darüber und beschlossen, das wir den Gestus weiterführen. Das war Anfang Mai. Wir hatten wenig Geld, gerade genug, um die Miete zu bezahlen, das Auto und andere notwendige Dinge. Wir legten den Betrag für den Fondo Comune beiseite, obwohl wir noch einige Rechungen offen hatten. Ich bat Fernando darum, Vertrauen zu haben, denn ich war mir sicher, das ich eine andere Arbeit finden würde. Ergebnis: Am Ende des Monats hatten wir alle Rechungen bezahlt. Wir hatten zusätzliche Ausgaben, aber auch eine zusätzliche Arbeit. Man hat mir eine andere Arbeit an einem anderen Ort angeboten, die besser bezahlt ist. Wie dem auch sei. Ich möchte mein ganzes Leben Christus anvertrauen. Für manche mag unser Handeln unverantwortlich gewesen sein, aber für mich war es ein Akt des Glaubens. Früher legte ich das Geld für den Fondo Comune zur Seite, aber am Ende nahmen wir es, um notwendige Dinge zu kaufen. Jetzt ist uns das Geld für den Fondo Comune heilig, egal was passiert, und es ist schön, dass Fernando das versteht und immer tiefer in die Fraternität hineinwächst.
Fabiana, Portogallo

Chinesische Freundschaften
Lieber Don Carrón, Marco wurde in Italien geboren aber er ist von der Herkunft und Kultur her Chinese. Aufmerksam und still wie er war, stellte er für mich ein Rätsel dar inmitten der lebhaften dritten Klasse der Mittelstufe, die mir die Schulleiterin im September 2005 anvertraut hatte. Foscolo, Manzoni, Leopardi, die Freundschaft, die Lebensentscheidungen, die Bestimmung ... während des Unterrichts entging ihm nicht ein Wort, aber es gab nichts, was mir zeigte, ob das, was ich sagte, in ihm ein echtes Interesse wachrief, das über das rein schulische hinausging. Eines Tages fragte er mich auf der Schultreppe im Beisein aller Mitschüler: «Was meinen Sie, hat das Leben einen Sinn?». Nach dieser Frage hatte das Leben in der Klasse für mich, Marco und die Klassenkameraden einen neuen Geschmack bekommen. In jeder Unterrichtsstunde war diese Frage gegenwärtig. Wir haben entdeckt, dass alle Unterrichtsinhalte genauso wie die Aspekte der Wirklichkeit und wir selbst mit dieser Frage zu tun haben. Zur gleichen Zeit vertiefte sich der Dialog mit Marco. In der Mittagspause erzählte er mir von den orientalischen Traditionen, dem Taoismus, Buddhismus, der Kunst des Krieges und stellte mir Fragen zum Christentum. Eines Tages sagte ich ihm, dass es nur einen Weg gibt, um wirklich etwas vom Christentum zu verstehen, nämlich mit jemandem Zeit zu verbringen, der schon eine tiefe Freundschaft mit Jesus lebt. Ich habe ihm die Erfahrung der Sucher des Graals vorgeschlagen. Er sagte sofort zu. Er nahm an den Treffen teil und brachte sogar zwei Schulfreunde mit und kam zu den Ferien, obwohl alle anderen Jugendlichen aus unserer kleinen Gruppe aus verschiedenen Gründen nicht teilnahmen. Tag für Tag sah ich, wie er Freundschaften knüpfte, auf Berge kletterte (die er noch nie gesehen hatte), Unterricht in Fußball nahm und in Kung-Fu gab, bei den Treffen Wortbeiträge lieferte, sang, mit den Erwachsenen sprach ... und sich mit freien Break-Dance-Choreographien austobte. Hier sein Zeugnis bei der Versammlung: «In diesen Ferien habe ich neue Freunde gewonnen und mit ihnen zusammen habe ich meine Flamme des Glücks wieder aufleben lassen. Ich habe besser verstanden, was das Christentum ist. Diese Ferien stützen sich wirklich auf das Christentum. Jesus ist unter uns und er ist es, den wir nicht nur in den Menschen, die uns umgeben, finden müssen, sondern in allem, was uns umgibt. Natürlich ist es anders als im Religionsunterricht in der Schule. Hier wurden die «Theorien» praktiziert und haben sich in der Wirklichkeit und im Leben eines jeden Tages, einer jeden Stunde, Minute oder Sekunde gezeigt.»
Manuela, Pesaro

Eine Frage der Methode
Lieber Don Julián, ich bin ein 58jähriger Psychologe und bin seit meinem 20sten Lebensjahr bei der Bewegung. Ich habe viele Jahre mit Drogenabhängigen gearbeitet und dann mein Interesse auf erzieherische Themen ausgeweitet, vor allem auf schwer erziehbare und jugendliche Straftäter. Schon zu Beginn meiner Karriere als Arbeiter in einem Zentrum für Drogenabhängige wurde mir bewusst, dass ich im Gegensatz zu meinen Kollegen «einen zusätzlichen Draht» hatte. Anfangs versuchte ich das damit zu erklären, dass ich ein besonderes Talent hatte, die Probleme mit einer großer Kreativität anzugehen. Bis mich ein Kollege zum Nachdenken brachte, indem er sagte, dass das, was mich unterschied, die Bedeutung war, die ich der «Methode» beimaß. Da habe ich verstanden, was ich Don Giussani verdanke. Von ihm hatte ich – ohne es zu wissen – gelernt, die Jugendlichen, die sich Drogen spritzten, mit einem anderen Blick anzuschauen, nicht so sehr auf die Drogen und die Straftaten zu achten, die sie begingen, sondern auf die Suche nach Glück, die sie ausdrücken. Daraus erwuchsen viele Experimente: auf dem Gebiet der Prävention und der Behandlung, die von der Idee geleitet wurden, den Jugendlichen zum einfachen «Kampf gegen die Droge» ein alternatives Leben anzubieten, um auf ihre tiefsten Fragen eine Antwort zu geben. Inzwischen arbeite ich als Supervisor und betreue für das Justizministerium in einer Berufsschule mit Sitz in Messina ein Modellprojekt für minderjährige Arbeiter. Gegenstand sind «Jugendliche von der Mafia» das heißt jene Jugendlichen, gegen die bereits Strafverfahren wegen Straftaten aus dem Mafiaumfeld anhängig sind. Die Heranwachsenden haben keinerlei Kontakt zu ihrer inneren Welt, ihren Gefühlen, Sehnsüchten, Emotionen. Sie wurden daran gewöhnt, ihre wichtigste Frage auszuschalten: Wer bin ich? Warum bin ich auf der Welt? Mit den Arbeitern haben wir lange darüber nachgedacht. Soziale Kontrolle oder Unterstützung reichen nicht aus. Die Jugendlichen müssen sich mit Erwachsenen auseinandersetzen, die in der Lage sind, in ihnen diese verschütteten Fragen wachzurufen und ihnen zu bezeugen, dass das Leben einen Sinn hat und es sich zu leben lohnt. Eine harte Aufgabe für Sozialarbeiter, die oft desillusioniert und sehr kritisch gegenüber den Schwächen und Widersprüchen des sozialen Systems sind und die es gewohnt sind «allein» zu arbeiten mit einem geringen Zugehörigkeitsgefühl zur eigenen Gesellschaft. Mir kam wieder ins Gedächtnis, was uns Don Giussani einmal sagte. Man darf nicht darauf warten, dass das «System» sich ändert, um auf den Menschen zu- zugehen. Man muss sich daran machen «Ausschnitte einer veränderten Gesellschaft» zu schaffen, die bezeugen können, dass die Erfahrung einer Einheit möglich ist. Ich habe in den Augen und Worten dieser Jugendlichen einen neuen Enthusiasmus und eine tiefe Dankbarkeit gesehen. Mit der gleichen Dankbarkeit, noch expliziter ausgedrückt, kam eine Schülerin aus dem Diplomkurs für Sozialarbeit ( die schon als Sozialarbeiterin tätig ist) am Ende des Kurses auf mich zu und sagte: «Wird sind daran gewöhnt zu unterstützen und soziale Kontrolle auszuüben. Sie haben uns gelehrt, in diesen Jugendlichen eine Bitte nach Veränderung zu sehen und sie darin zu begleiten. Sie haben uns die Hoffung zurückgegeben, dass unsere Arbeit einen Sinn hat.» Ich antwortete ihr, dass auch ich einen Lehrer hatte, der mich all das gelehrt hat.
Luigi, Bergamo

Danksagung
Ich möchte euch allen danken und meine Anerkennung aussprechen für die Qualität des letzten Meetings der Freundschaft unter den Völkern von Comunione e Liberazione, das vor einigen Wochen in Rimini stattfand. Die freundliche Aufmerksamkeit und Begleitung des Präsidenten der Co.Re.Is. (Islamische Religionsgemeinschaft) wurde als Zeichen der Sensibilität und geistlichen Nähe besonders geschätzt. Nach einigen Jahren der Abwesenheit, gefolgt von dem Scheiden des unersetzbaren Gründers Don Giussani, war unsere Rückkehr zum Meeting von Comunione e Liberazione eine echte Wiederentdeckung des Wertes einer Gemeinschaft von Glaubenden, die in der Welt mit Glauben und Intelligenz, Geduld und Freude, Wirksamkeit und Hoffnung, Freundschaft und Ehrlichkeit wirkt. Das sind wirklich die Prinzipien, die ohne Übertreibung die wahren Glaubenden vereint, verfügbar und offen für Dialog, Begegnung und eine ehrliche Auseinandersetzung. In einer geschichtlichen Zeit, in der vor allem in unserer islamischen Gemeinschaft große Ignoranz, Verwirrung und Gewalt sichtbar wird, hilft uns die Möglichkeit, eine Oase der Klarheit zu teilen, die frei ist von Fundamentalismus und Relativismus, mit größerer Zielstrebigkeit am Aufbau einer Gesellschaft zu arbeiten, in der die religiösen Prinzipien und die Orientierung zum Heiligen hin mit Würde ausgedrückt und gelebt werden, ohne Kompromittierungen oder Künstlichkeit.
Meine herzlichsten Grüße
Yahya Sergio Yahe Pallavicini
Berater im Innenministerium für den italienischen Islam, Vizepräsident des italienischen Co.Re.Is. (Islamische Religionsgemeinschaft)
Präsident des Consiglio Isesco für die Erziehung und Kultur im Abendland