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Meeting - Irland
Glaube und Wirklichkeit in Rimini
John Waters

Auf dem Meeting hat der Journalist der Tageszeitung The Irish Times, John Waters, über Das Wagnis der Erziehung und über sein Leben gesprochen. Am 11. September hat er einen Artikel für seine Zeitung verfasst, den wir im Folgenden wiedergeben.

Stellt euch eine Mischung aus der Dublin Horse Show, der Rose of Tralee, der Fianna Fáil Ardhesis und der Galway Races vor, mit Gott im Mittel-punkt. Eine zweifelsohne sehr unwahrscheinliche Kombination. Aber es ist eine ziemlich realistische Darstellung des jährlichen Meetings in Rimini, von dem ich kürzlich zurückgekehrt bin. Das Ereignis wird von Comunione e liberazione organisiert, einer relativ kleinen Gruppe sehr aktiver Katholiken. In den Augen eines Menschen, der im Schatten der irischen Kirche erzogen wurde, erscheint es gleichzeitig ungewöhnlich und sehr erbauend. Rimini, das Brighton der Adria, ist ein Ort, an dem die Menschen vor allem den ewigen Sommer suchen: Sonne, Sand und Meer.
Aber seit 27 Jahren zeigt sich an diesem Ort jeden August neben der Masse von Leibern, die sich in der Sonne aalen, eine völlig andere Wirklichkeit. CL wurde vor über 50 Jahren von Don Luigi Giussani gegründet. Er hatte eine außergewöhnliche Wahrnehmung der Weite und der Bedeutung des Glaubens. Das Meeting stellt heutzutage die populärste öffentliche Initiative der Bewegung dar. Es findet auf einem riesigen Messegelände mit über einem Dutzend Hallen statt. Jedes Jahr kommen über 700.000 Personen, überwiegend Jugendliche, aus aller Herren Länder zusammen, um an diesem außergewöhnlichen Festival des Glaubens, des Handels, der Kultur, der Kunst und der Wissenschaft teilzunehmen.

Tausende von Freiwilligen
Das Ereignis wird von einigen Tausend freiwilligen Italienern von CL organisiert. Viele von ihnen kommen von weit her und sie alle tragen die Ausgaben für Reise und Unterbringung selbst. Ich selbst habe am diesjährigen Meeting als Redner teilgenommen, da mich der Herausgeber von Spuren, der Zeitschrift von CL, eingeladen hatte. Die Redner erhalten kein Honorar, aber die Spesen für Reise und Aufenthalt übernimmt die Organisation. Das diesjährige Thema des Meetings war, trotz seiner Länge, anregend: «Die Vernunft ist Bedürfnis nach Unendlichem und gipfelt in der Sehnsucht und Vorahnung, dass dieses Unendliche sich zeigt.»
Große Ausstellungen über die Milchstraße, über die Benediktiner und über Dante wechselten mit Debatten über die verschiedensten Themen, vom Kreationismus und Darwinismus zur Diätetik; über 200 Treffen in einer Woche. Für jemanden, der im Schoße eines Katholizismus aufgewachsen ist, der den Großteil der Wirklichkeit – vor allem die alltägliche Wirklichkeit – kritisch anschaut, ist es im ersten Moment eher schockierend, auf diese ungewöhnliche Zusammensetzung von Glauben und Kommerz zu treffen.
Dennoch ist das Meeting fest in der Lehre Don Giussanis verwurzelt, der sowohl den gegenwärtigen Papst als auch dessen Vorgänger zu seinen Bewunderern zählen konnte. Der Gründer von CL ist Anfang des vergangenen Jahres verstorben. Die zahlreichen Bücher und die Lehren von Don Giussani laden aber beständig dazu ein, die Einheit zwischen Glauben, Wirklichkeit und Vernunft zu suchen.

Der Glaube steigert die Vernünftigkeit
«Die Trennung des Himmels von der Erde», schreibt er in Das Wagnis der Erziehung, «ist ein Verbrechen. Das Christentum ist Gott auf Erden», ein historisches Ereignis, keine Idee. Christus existiert nicht als eine Geschichte oder Metapher, sondern als reale Tatsache. Giussani greift jene Theorie an, für die Glaube und Vernunft Parallelwelten sind. Er behauptet hingegen, dass sie auf dasselbe hinauslaufen. Der Glaube steigert die Vernünftigkeit, denn er antwortet auf den Schrei des menschlichen Herzens, der auf der Suche nach Wahrheit, Schönheit, Gerechtigkeit und Liebe ist. Gott ist unsere Identität und unsere Bestimmung. Es gibt keine Fragen ohne Antwort, sagt Giussani. Der Glaube ist die höchste Form der Vernunft, denn die Glückseligkeit ist ein anderes Wort für Ewigkeit. Von Gott zu sprechen, ist die vernünftigste Sache der Welt.
Die außergewöhnliche Konzeption Don Giussanis basiert auf der Wertschätzung der persönlichen Erfahrung, auf der Wiederentdeckung der Tradition – was mit Vorsicht gegenüber einem Traditionalismus geschieht –, und auf einem tiefen Sinn der Bedeutung des Wortes Freiheit. Durch seine Worte werden sowohl die traditionelle Frömmigkeit als auch der moderne Säkularismus herausgefordert. Wenn Gott für mein Leben und meine Erfahrung keine Rolle spielt, sagt Giussani, ist er unsinnig. Aber ohne Ihn hat nichts einen Sinn. Die Religion, sagt Giussani, besteht nicht in einer Morallehre, sondern in der Tatsache, dass Gott der Menschheit ihre Form gibt.

Wir haben uns von der Vernunft entfernt
Der Moralismus ist Götzendienst, betont Giussani nachdrücklich. Wir brauchen einen neuen Zugang, worin das Bewusstsein der absoluten Wahrheit und die Öffnung auf die unendlichen Schattierungen dieser Wahrheit in einer sich wandelnden Welt vereint sind. Was bedeutet das alles? Haben sie in der Redaktion gepfuscht oder ist Waters verrückt geworden und hat auf seine alten Tage eine mystische Krise? Wie lange dauert es, bis die Verantwortlichen endlich eingreifen? Ein Anzeichen dafür, wie weit wir uns von der Wirklichkeit entfernt haben, ist die Tatsache, dass derartige Überlegungen auf dieser Seite, die vor allem der vernünftigen Diskussion über die Wirklichkeit reserviert ist – anders als die wöchentliche Rubrik Rite and Reason, die dank ihrer wohlumschriebenen Grenzen akzeptabel ist – unangemessen erscheinen. Unsere Welt ähnelt in ihren geistigen und organisatorischen Abläufen immer mehr einer Zeitschrift: Jede Sache hat ihre eigene Schublade.

Don Giussani bietet einen Ausweg an
Wir halten den Niedergang des Glaubens oft für das Ergebnis des Stolzes, der von unserem wachsenden Wissen herrührt, aber das ist nur die halbe Geschichte. Unsere zunehmende Schlauheit hat zur Isolierung des Glaubens vom Leben geführt, ebenso wie die Tendenz zu einer übermäßigen Vereinfachung, was eine Beleidigung der Intelligenz ist, die in den Jugendlichen aufbricht. Don Giussani bietet einen Ausweg an.
Er zitiert Dante, Kafka, Mozart und Leopardi, um eine Alternative zum abstrakten Konflikt zwischen Tradition und Moderne anzubieten, eine neue Weise, von Augenblick zu Augenblick das gegenseitige sich Ergänzen von ewiger Wahrheit und dem Imperativ des Neuen zu sehen. Wenn das Christentum eine Zukunft hat, dann diese.

© The Irish Times