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Aufmacher
Das Revolutionäre des Christentums
Benedikt XVI.

Botschaft des Heiligen Vaters an das 27. Meeting für die Freundschaft unter den Völkern

An Seine Exzellenz, Msgr. Mariano De Nicolò, Bischof von Rimini

Exzellenz,
ich freue mich, Ihnen und den Teilnehmern des Meeting für die Freundschaft unter den Völkern den herzlichen Gruß des Heiligen Vaters übermitteln zu können. Auch dieses Jahr stellt der Titel der Veranstaltung den Menschen und das Innerste seiner Beziehung zum Schöpfer in den Mittelpunkt: «Die Vernunft ist Bedürfnis nach Unendlichem und gipfelt in der Sehnsucht und der Vorahnung, dass dieses Unendliche sich zeigt». Der Mensch «weiß» und hat die verworrene und doch klare Vorahnung, dass er für eine unendliche Bestimmung geschaffen ist, die allein jenen «Raum» zu füllen vermag, den er in sich verspürt und der ausgefüllt sein will. Unruhe, Unzufriedenheit, Sehnsucht, die Unmöglichkeit, durch die erreichten Ziele Ruhe zu finden: diese Worte definieren den Menschen und das wahrste Gesetz seiner Vernünftigkeit. Er bemerkt in sich ein sehnsüchtiges, ständiges Suchen, das stets weiter hinaus will, über das Erreichte hinaus. Wie die Heilige Schrift, besonders in den Psalmen, oftmals berichtet, seufzt der Mensch voller Sehnsucht: So sagt der Psalmist: «Meine Augen sehnen sich nach deiner Hilfe, nach deiner gerechten Verheißung.» (Ps 119, Vers 123).
Diese Suche nach dem Unendlichen scheint jedoch dazu «verdammt» zu sein, sich in den Grenzen des «Endlichen» abzuspielen. In der Tat bleibt der Mensch – ebenso wie die Wirklichkeit, die er zu erkennen versucht – stets den Bedingungen von Raum und Zeit unterworfen, zusätzlich zu den Grenzen seiner eigenen Fähigkeiten. Daher ergibt sich spontan die Frage: Wie kann er dieses Paradoxon auflösen? Wie kann er sich selbst verwirklichen, wenn das, was ihn erfüllen könnte, strukturell außerhalb seiner Reichweite liegt?
Aufgrund dieser Herausforderung des menschlichen Seins will das Meeting 2006 wieder kraftvoll die ewige Wahrheit des Christentums vorschlagen: Gott, das Unendliche, hat sich in unsere Endlichkeit hinab begeben, um von unseren Sinnen wahrgenommen werden zu können. Auf diese Weise hat das Unendliche die Suche der Vernunft des endlichen Menschen «erreicht.» Hierin liegt das «Revolutionäre» des Christentums: Gott der Schöpfer «erreicht» – jetzt und immerdar – die Suche der Vernunft des Menschen, der nach Ihm strebt. Er begegnet der Schöpfung, die sich nach Ihm sehnt. Der eingeborene Sohn Gottes macht sich zum Mensch unter Menschen und sagt von sich: «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben» (Joh 14, 6). Diese Worte werden zu einer Einladung, die die Kirche unaufhörlich an die Menschen aller Kulturen und Kontinente richtet. Das diesjährige Meeting für die Freundschaft unter den Völkern will ein Echo dieser Einladung sein, indem es in Erinnerung ruft, dass das Unendliche sich zu etwas gemacht hat, dem man begegnen kann, und dass es jedem Menschen möglich ist, Gott kennen zu lernen und in ihm seinen Durst zu stillen.
In Gott, der sich in Christus offenbart hat, ist es in besonderer Weise möglich, die Erfahrung des Friedens zu machen. In diesen Tagen schwerer Bedrängnis gehen die Gedanken des Heiligen Vaters in das Heilige Land und in die Länder des Nahen Ostens. Sie waren Zeugen der Heilsgeschichte, die in Menschwerdung, Tod und Auferstehung Jesu gipfelte. Die heute dort lebenden Menschen werden gequält von der Feindseligkeit, vom Fehlen eines Dialogs und einer Möglichkeit der Versöhnung und von der Gewalt, die alle Rechte und legitimen Erwartungen der Menschen guten Willens mit Füßen tritt. Der Pontifex Maximus ergreift gerne auch diese Gelegenheit, um alle dazu aufzurufen, zum Gott des Friedens zu beten, dass er das Herz derjenigen bewege, die in einen Konflikt verstrickt sind, der nun schon lange andauert und unzählige Opfer gefordert hat. Maria, die Mutter des Friedensfürsten, möge die Gnade erlangen, dass die in diesen Ländern wohnenden Menschen sich als Brüder erkennen und zum Aufbau eines gerechten und dauerhaften Friedens beitragen.
Benedikt XVI. verbindet diese Wünsche mit der Zusicherung seines steten Gedenkens im Gebet, und er sendet Ihnen, Exzellenz, und allen Teilnehmern an diesem jährlich von Comunione e Liberazione vorgeschlagenen Treffen seinen Segen.
Gerne ergreife ich die Gelegenheit, auch von meiner Seite herzliche Wünsche für eine gute Arbeit zu senden, und verbleibe mit besten Empfehlungen

Ihr im Herrn ergebener
Angelo Kardinal Sodano
Staatssekretär

18. August 2006