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Briefe
Briefe September 2006
Zusammengestellt von Paola Bergamini

Eine offensichtliche Neuheit
Es ist 24.15 Uhr. Wir sind in Miramare di Rimini. Ich steige aus dem Auto. Das Parken grenzt an ein Wunder. Ich habe meine beiden schlaftrunkenen Töchter an der Hand. Um uns herum ist ein Durcheinander von Lichtern, Schaufenstern, Musik, Pubs, Diskos: das Nachtleben in Rimini. Ich drücke die Hände meiner Töchter noch fester, denn dies ist nicht das Leben, das ich mir für sie wünsche. Keine Moralpredigt: Die Nacht ist wunderbar geeignet, um sich zu amüsieren, um zu tanzen und sich mit Freunden zu unterhalten. Aber was ist das hier? Man stellt sich bloß zur Schau und dabei kommt ein Ich zu Tage, das von der neuesten Mode der Saison enttäuscht ist ... Ich kann nicht umhin, an den soeben vergangenen Tag zu denken. Wir sind nach Rimini wegen des Meetings gekommen. Ich komme hierher seit 1980. Ich habe es wachsen, sich vergrößern und befestigen sehen. Heute traf ich Freunde, mit denen ich vor 20 Jahren am Aufbau des Meetings arbeitete. Nun setzen sich deren Kinder für das gleiche Werk ein. Ich begegnete einem Ingenieur, Geschäftsführer eines großen Bauunternehmens, der dabei war, Bier zusammen mit einem Erstsemestler, der zum ersten Mal beim Meeting war, zu zapfen. Ich traf auch eine Gymnasiallehrerin, die als Kassiererin am argentinischen Restaurant ihren Dienst tat und lief eilig weiter, um pünktlich ihren Turnus anzutreten. Egal welche Aufgabe man innehat, sie hat einen Wert, und zwar einen sehr großen Wert: Wenn sie nämlich nicht ausgefüllt oder schlecht erledigt wird, würde man es merken. Dies erfährt man beim Meeting und nimmt es als Gabe mit nach Hause. Du findest den Ursprung wieder, für den du geschaffen wurdest. Du kannst eine anfängliche Antwort auf die Fragen geben, die sich dir aufdrängen. Wenn man an einem Vortrag über die Subsidiarität teilnimmt, eine Ausstellung über den Maler Hopper besucht, zu einer Theatervorstellung geht oder einfach an den Ständen vorbeibummelt, wird man herausgefordert, bekommt man Lust, neu anzufangen, nach Hause zurückzugehen und die übliche Arbeit, die üblichen Verwandten und auch die üblichen Freunde neu anzupacken. Wir sind nämlich jemandem begegnet, der uns endlich ernst genommen hat, und können uns deshalb neu auf den Weg machen ... Ich komme ins Hotel zurück und schaue mir die Nachrichten im Fernsehen an. Es geht auch um das Meeting. Wieder mal der übliche Bericht über einen Politiker, der heute dran war, nichts weiter. Eine so offensichtliche Neuheit ist zu unbequem für die, die sich nicht in Frage stellen wollen.
Luisa, Perugi

Begegnung mit der Schönheit
Lieber Don Julián, es fällt allen immer schwer, ein neues Schuljahr anzufangen. Nach dem Sommer sieht der stressige Alltag fast wie ein unerwünschter Gast aus, der pünktlich an unserer Tür klopft. Aber wie können wir das neue Jahr gut anfangen, wenn wir Schule, Arbeit und im Grunde das Leben als einen unabwendbaren Übergang zu den nächsten Ferien betrachten? Wie können wir froh sein, auch während wir an einem Schreibtisch im Büro oder auf einer Schulbank sitzen? Diese Frage stellte ich mir, als ich vom Meeting zurückkam. Am Meeting habe ich die Erfahrung einer Schönheit gemacht. Ich wollte, dass das, was dort angefangen hat, nicht mehr aufhört. So kam ich nach Salerno mit der Hoffnung und auch mit der Gewissheit zurück, dass die erlebte Schönheit im Alltag gegenwärtig sein kann – auch in den gewöhnlichen Dingen, die uns manchmal banal erscheinen. Nur dann bin ich froh, wenn ich auch in der Schule bei der Ausführung einer Griechisch-Aufgabe oder gar im Gesicht eines Lehrers die Schönheit wieder entdecke, die Christus uns bezeugt. Es ist wichtig, das neue Jahr gut anzufangen, und ebenso wichtig ist es, unsere gemeinsamen Treffen mit einem Lied anzufangen. Das Lied ist das Gebet, das auf das Notenblatt übertragen wurde. Es ist wichtig zu singen und neue Lieder zu lernen, um den Grund nicht zu verlieren, weshalb wir uns jede Woche treffen. Wir treffen uns nicht, weil wir nichts Besseres zu tun hätten, sondern weil wir der Schönheit Christi begegnet sind, der unter uns gegenwärtig ist. Wir sind zusammen, weil wir den gleichen Wunsch nach Glück haben.
Filomena, Salerno

Aus dem Libanon fliehen
Am 1. Juli zogen wir in den Libanon. Andrea sollte Arabisch und islamisches Recht studieren und Romina arbeitete bei einer Nichtregierungsorganisation. Wir sollten ein Jahr dort bleiben. Zwei Wochen später waren wir wieder in Padua: Wir flohen zusammen mit einer anderen Familie, die auch dort hätte arbeiten sollten. Wir überquerten den Libanon, Syrien und Jordanien. Dabei schauten wir ständig zum Himmel empor mit der Angst, zur Zielscheibe zu werden. Dann flogen wir nach Italien weiter. Wir spürten dabei die Enttäuschung, dass unsere Pläne zunichte gemacht wurden, und den Schmerz, ein Volk sehen zu müssen, das in Panik und in Angst vor der Zukunft lebt. Zugleich kam auch die Frage über den Sinn dieser Erfahrung auf. Wir fuhren dorthin wegen des Interesses am muslimischen Recht und einer Arbeitserfahrung im Ausland, aber auch wegen der Hoffnung, der Kirche nützlich zu sein. Die neuen Umstände waren sowohl faszinierend als auch fremd. So waren wir gezwungen, einerseits auf den Grund zu schauen, weshalb wir dorthin fuhren – am Ziel anzuhängen – und andererseits die Wirklichkeit aus ihrem Sinn heraus zu beobachten und nicht nur in ihrer Äußerlichkeit, die andersartig und manchmal sogar feindlich erscheint. Diese dringliche persönliche Frage wurde von tröstlichen Erfahrungen bestätigt: anfängliche Freundschaften, offene Türen, eine überhaupt nicht selbstverständliche Vertrautheit mit Leuten, die wir vorher nicht kannten. Die Faszination für ein neues und turbulentes Leben bestätigten uns die Tatsache, dass ein Ich überall reifen kann, wenn es frei ist und nur den uns leitenden Grund und eine wirkliche Neugierde zu verteidigen hat. Die echte Überraschung kam, als wir dazu gezwungen wurden abzufahren. Während wir uns auf die Reise vorbereiteten, beteten unsere Freunde in Italien den Rosenkranz für uns (wer das «Gegrüßet seist Du Maria» nicht kannte, hatte es sich telefonisch diktieren lassen). Im Libanon hielten Menschen, die wir kaum kannten, mit uns Wache und schalteten alle Freunde ein, um die besten Wege zur Flucht herauszufinden, um zu erfahren, welche Gefahren zu vermeiden waren und an wen wir uns im Notfall wenden sollten. Ein Volk hat sich für uns eingesetzt. Manche mit dem Gebet, andere mit anderen Mitteln: Diejenigen, die nicht fliehen konnten, unternahmen alles Mögliche, damit wir das Land verlassen konnten. Wir zogen dorthin, weil wir nützlich sein wollten. Aber alles, was passiert ist, war für uns nützlich: für das Bewusstsein unserer Zugehörigkeit.
Romina e Andrea, Padova

Chinesische Taufe
Lieber Don Julián, wir sind zwei Familien und seit einigen Jahren kennen wir das Aufnahmehaus Sankt Martin von Zelo Surrigone. Dort werden junge Mütter in schwierigen Situationen mit ihrem Kindern beherbergt. Don Carlo und Giovanna, die Leiterin des Hauses, haben uns vorgeschlagen, eine «Förderfamilie» zu werden, also eine Familie, die eine dieser Mütter mit einfachen Gesten begleitet, wie zum Beispiel einige Stunden am Wochenende zusammen mit unseren Kindern bei ihnen zu verbringen, gemeinsam zu essen, die Geburtstage zusammen zu feiern, und so weiter. Auf diese Weise haben wir vor rund drei Jahren Caiqin und Lisa kennen gelernt, zwei chinesische Mütter mit ihren Kindern Franco und Sonia. Die chinesische Mentalität ist wirklich ganz anders als unsere. Sie kommen aus den Lebensverhältnissen eines Regimes, wo Demokratie und Religion zwei unbekannte Vorstellungen sind und man schafft es nie, bis auf den Grund zu verstehen, was sie wirklich denken. Die erste Zeit war schwierig. Erst als es uns gelungen ist – abgesehen von unserem Stolz –, diesen Mütter auf eine unentgeltlichen Art und Weise zu begegnen und als wir angefangen haben, eine Freundschaft auszuprobieren, haben wir bemerkt, dass sie uns beobachteten, dass sie unsere Art und Weise beobachteten, zusammen zu sein als Ehemann und Ehefrau, die christliche Erziehung, die wir unseren Kindern geben, unsere Art und Weise, mit unseren Freunden zu leben und die Sehnsucht, alles mit ihnen zu teilen. Im Mai ist unser drittes Kind, Francesco, geboren worden, und mit ihm die Gelegenheit, Caiqin zu fragen, ob sie ihren Sohn Franco zusammen mit Francesco taufen lassen wolle. Am folgenden Tag lud der kleine vierjährige Franco, der uns mit seiner Mutter hatte reden hören, alle seine Freunde aus dem Kindergarten (den er zusammen mit unseren Kindern und Sonia besucht) zu seiner Taufe ein. Caiqin ging dann zu Lisa, um ihr von der Entscheidung zu erzählen, Franco taufen zu lassen, und hier geht das Wunder weiter: Auch Lisa äußerte ohne zu zögern den Wunsch, Sonia taufen zu lassen. Als wir mit Caiqin und Lisa über die Taufe sprachen, haben uns vor allem zwei Dinge von dem, was sie sagten, beeindruckt: «Wir sind besorgt, weil wir nichts über das Christentum wissen und daher nicht wissen, ob wir fähig sein werden, unsere Kinder auf diesem Weg zu begleiten.» Und die zweite: «Wir kennen das Christentum und Jesus Christus nicht, aber wir spüren, dass dies ein wahrer und schöner Weg für unsere Kinder ist.»
Anna und Roberto, Paola und Massimiliano, Gudo Visconti

Argentinische Treffen
Lieber Don Julián, dieser Brief beginnt am 22. Februar 2005. Ich war im argentinischen Chaco wegen einer journalistischen Umfrage, als ich vom Tod von Don Giussani las. Wenn der Tod einer Person immer ein großes Loch im Leben seiner Lieben und derer, die ihm nahe standen, hinterlässt, so war es bei Don Giussani nicht so. Gewiss, der Schmerz, vermischt mit jenem ewigen Dankes gegenüber einer Person, die vor einigen Monaten mein Leben geändert hatte, ist ein Gefühl, das man mit einfachen Worten nur schwer beschreiben kann. Aber der Tod von Don Gius hat kein Loch verursacht. Am folgenden Tag kam ich in Buenos Aires an, um meine Umfrage fortzusetzen. Plötzlich dachte ich: Ich muss mich mit den Jugendlichen der Bewegung zwecks einer Messe oder eines Rosenkranzes im Gedenken an Don Gius in Verbindung setzen. Ich war gerade mit Mariano, einem italoargentinischen Freund und Kollegen unterwegs, als uns meine Neugierde nach dem Treffpunkt der Globalisierungs-gegner an die Fakultät der Gesellschaftswissenschaften führte, die linksorientierteste der Hauptstadt. Wir traten durch das Hauptportal ein und bekamen nach einigen Schritten ein Flugblatt in die Hand gedrückt. Wieder nach einigen Schritten bemerkte ich, dass dies ein Flugblatt des CLU war. Ich wandte mich schnell an die Studenten, um mich vorzustellen. Und unter Ungläubigkeit und wechselseitigem Staunen fragte ich nach einer Messe. Sie luden mich zur Messe um 19.30 Uhr und zum Rosenkranz ein. Es war, wie wenn ich sie schon seit immer gekannt hätte. In den Blicken und in den Worten. Und am folgenden Freitag luden sie mich zum Theaterstück Die Verkündigung an Maria von Claudel ein. Jenes Treffen hat für immer mein Leben und meinen Glauben gezeichnet. Diese Tatsache, die in meinem Leben gegenwärtig geworden ist, ist nicht nur damals passiert, sondern passiert immer noch. Jenen Tag habe ich für immer als die Umarmung eines Vaters empfunden. Meine unverdiente Umarmung von Don Gius.
Lorenzo, Reggio Emilia

Eine unerwartete Freundschaft
Lieber Don Julián, im September 2005 haben wir eine Familie kennen gelernt, die seit mehreren Jahren unter dem schmerzhaften Eindruck eines Unfalls lebt, durch den ihre Tochter Gianna vollständig gelähmt ist. Der Vater fragte uns, ob wir sie besuchen könnten. Auch wenn dies anfangs als eine der vielen «wöchentlichen Verpflichtungen» erscheinen konnte, so ist es doch bald eine großartige Gelegenheit geworden, sowohl für uns, als auch für sie. Als wir dort zwei Stunden pro Woche verbrachten, waren wir verblüfft von Giannas tiefem Glauben. Denn trotz der Unmöglichkeit, sich selbstständig zu bewegen, ist sie zutiefst dankbar und dankt Gott ununterbrochen für ihr Leben, für ihre Eltern und jetzt auch für uns. In jenes Haus tragen wir alles, was wir sind, auch die Zugehörigkeit zur Bewegung. Es ist eine großartige Gelegenheit geworden, das zu bezeugen, was wir im Leben des CLU erleben, aber vor allem bemerken wir, dass wir immer mehr einen Blick der Gewissheit einüben, den Gianna auf das Leben hat. Du müsstest die Schönheit und die Farben der Blumen sehen, die sie malt, oder die Einfachheit der Gebete, die sie schreibt! Sie ist geradezu eine Explosion von Leben: Wenn wir sie besuchen, fragt sie uns immer, was bei uns los ist, und sie will immer mit uns spielen und singen. Als wir unseren Freunden erzählten, was uns passiert ist, ist bei ihnen der Wunsch entstanden, sie kennen zu lernen, und jetzt sind wir ziemlich viele, wenn wir sie besuchen. Gianna hat uns einmal gesagt: «Wie groß ist Gott, ich habe mehr Freunde als viele, die aus dem Haus gehen können!» Diese Umarmung hat sich ausgedehnt auf ihre Familie, die sogar angefangen hat, am Seminar der Gemeinschaft teilzunehmen.
Maria, Silvia und Chiara, Busto Arsizio

Papas Krankheit
Im Mai ist etwas geschehen, was ich nie für möglich gehalten hätte. Bei meinem Vater, zu dem ich seit der Trennung meiner Eltern immer ein Verhältnis mit Höhen und Tiefen hatte, wurde ein Gehirntumor entdeckt. Mir kamen all unsere Missverständnisse, die Fehler und mein nicht immer freundliches Verhalten ihm gegenüber in den Sinn. Mein Großvater, ein Arzt, erklärte mir, dass der Tumor der Grund für sein aggressives und verletzendes Verhalten mir gegenüber in der letzten Zeit gewesen sei. Als ich diese Nachricht erfahren habe, konnte ich mit niemandem mehr reden; meine Gefühle schwankten zwischen Verzweifelung und Schuldgefühlen. Ich fragte mich, warum mir das gerade jetzt passieren musste, in einem Augenblick, in dem ich es mit viel Mühe geschafft hatte, mir das normale Leben einer Siebzehnjährigen ruhig und froh „aufzubauen“. Die Krankheit meines Vaters schlug rücksichtslos wie eine Bombe ein und brachte all meine Pläne durcheinander. In diesen endlosen Nachmittagen, in denen nur von dem Eingriff und den geringen Überlebenschancen gesprochen wurde, wusste ich wirklich nicht, was ich tun sollte. Genau in diesem Augenblick habe ich die Bedeutung von GS wieder entdeckt, dieser Freunde, denen ich seit Jahren begeistert folgte, mit denen ich eine großartige Erfahrung teilte, aber deren Gegenwart für mich fast selbstverständlich geworden war. Sie waren da, erlebten mit mir die Krankheit meines Vaters, den Eingriff und waren mir in einer wahren Art nahe. Es reichten die kleinen täglichen Dinge, ein gemeinsamer Kaffee bei mir zu Hause, ein Anruf, die Tatsache, dass sie nach mir in der Pause suchten, um mir klar zu machen, dass ich nicht allein bin. Jetzt, nachdem mein Vater den Eingriff überstanden und sich davon sehr gut erholt hat, habe ich nur einen Wunsch: mich immer mehr an diese Gemeinschaft zu binden, die mir den Weg gezeigt hat, dem es zu folgen gilt.
Laura, Fermo

Die Freizeit von GS
Eigentlich stand für mich schon fest, dass ich diesen Sommer nicht auf die Jugendfreizeit von CL mitkommen könnte. Ich bin aus dem Norden und, da bei uns die Schule schon wieder anfangen sollte, während die Bayern und Baden–Württemberger noch Ferien hatten, war es für mich praktisch unmöglich, an der Freizeit teilzunehmen.
Als ich meine Freundin am Bodensee besuchte, die ich auf einer CL- Freizeit kennen gelernt hatte, fragte sie mich, ob ich denn dieses Jahr auch käme. Ich sagte, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon wieder Schule haben würde. Ich könne zwar versuchen, von der Schule fünf Tage befreit zu werden; insgeheim hatte ich aber wenig Hoffnung, dass es klappen würde.
Ich wollte gerne auf die Freizeit. Trotzdem war es für mich mit Mühe und Überwindung der Bequemlichkeit verbunden, in der Pause mehrere Male zur Schulleitung zu gehen, anstatt mit den Schulfreunden zusammenzusitzen und ein bisschen herumzualbern.
Überraschenderweise bekam ich die Erlaubnis; selbstverständlich müsste ich den Stoff nacharbeiten, aber Hauptsache war, dass ich mitkonnte.
Ich habe mich gefreut und bin sehr froh, gefahren zu sein. Alle meine Freunde wiederzusehen, einige, die ich schon gut kannte, andere, die ich erst dieses Mal richtig kennen lernen konnte, die Wanderungen und auch die Gespräche, die ich mit einigen hatte, waren schöne Erfahrungen.
An einem Abend haben vier Freunde zusammen über ihre Freundschaft erzählt und was der Glaube in ihrem Leben verändert hat. Ich fand es gut, zu sehen und zu hören, wie sich so eine Freundschaft entwickeln kann.
Im Seminar der Gemeinschaft haben wir Ausschnitte aus einigen Reden des Papstes gelesen. Wir haben unter anderem darüber gesprochen, dass man eine Vorstellung von Freiheit hat, die einem erlaubt, alles zu tun, was man will, dass man dabei jedoch immer an Grenzen stößt, die einen einschränken. Ich grenze mich selber ein, indem ich mich von einer von mir bestimmten Vorstellung des Glücks abhängig mache, anstatt von einem Ursprung, von Gott.
Ich meine, zumindest eine Sehnsucht und Sicherheit gespürt zu haben, weil er mich liebt, so wie ich bin, mit meinen ganzen Unsicherheiten und in allen Momenten, in denen ich denke, hätte ich doch ... (und das tue ich oft).
Es gibt Tage, da habe ich dieses Gefühl nicht, da zweifle ich auch!
Aber die Freizeit und vor allem diese Freunde, die zwar weit weg sind und mit denen ich «nur» telefonieren kann, sind immer da. Und letztendlich ist Gott dann auch da!
Julis Koch

Das Kind und das Engelchen
Zusammen mit Lidia und Anna betreue ich seit Jahren die Familien, die aus aller Welt nach Pesaro zur Knochenmarktransplantation kommen. An einem Sonntagnachmittag vor einigen Jahren, während eines Festes, das organisiert wurde, um die kranken Kinder aufzumuntern, kam eine muslimische Familie aus Aserbaidschan mit ihrem kranken Kind. Es erhielt Knochenmark von seiner Mutter, aber die Transplantation erbrachte kein gutes Ergebnis, also blieben sie in Pesaro, um das Kind zu pflegen und eine zweite Transplantation in die Wege zu leiten. In der Zwischenzeit bekam die Mutter ein Töchterchen und die zweite Transplantation wurde erfolgreich durchgeführt. Im Verlauf der Krankheit haben wir dieser Familie – außer mit den Päckchen von der Bank der Solidarität – geholfen, indem wir uns bei der Krankenhausbetreuung abwechselten. Diese Betreuung hat etwa zwei Jahre gedauert und wir schenkten dem Kind ein Engelchen, um ihm zu helfen, die Schmerzen besser zu ertragen; dabei sagten wir ihm, es solle das Engelchen anschauen, weil es ihm geholfen hat. Die Eltern hatten unsere Initiative nicht sehr geschätzt, aber als sie sahen, dass das Kind positiv reagierte, nahmen sie unser Geschenk an. Eines Tages fragte uns das Kind, wie es ein Freund des Engelchens werden könne, und wir erzählten ihm in Gestalt eines Märchens das Leben Jesu. Jeden Tag betreuten wir das Kind im Verlauf seiner Krankheit und versuchten, es mit allerlei Spielchen zu erheitern, aber es fragte immer nach dem Märchen mit dem Engelchen und Jesus. Nachdem es die Krankheit überwunden hatte, bat uns das Kind, Jesus noch besser kennen zu lernen. Von dieser Tatsache ausgehend waren die Eltern damit einverstanden, dass ihre Kinder getauft werden und im Fortsetzen ihres Glaubensweges die Sakramente der heiligen Kommunion und der Firmung empfangen. Als sie uns diese Entscheidung mitteilten, sagten sie uns: «Wenn Jesus der Grund für das ist, was ihr macht, ist das eine gute Sache und wir wollen sie für unsere Kinder.»
Flora, Pesaro


Papas Krankheit
Im Mai ist etwas geschehen, was ich nie für möglich gehalten hätte. Bei meinem Vater, zu dem ich seit der Trennung meiner Eltern immer ein Verhältnis mit Höhen und Tiefen hatte, wurde ein Gehirntumor entdeckt. Mir kamen all unsere Missverständnisse, die Fehler und mein nicht immer freundliches Verhalten ihm gegenüber in den Sinn. Mein Großvater, ein Arzt, erklärte mir, dass der Tumor der Grund für sein aggressives und verletzendes Verhalten mir gegenüber in der letzten Zeit gewesen sei. Als ich diese Nachricht erfahren habe, konnte ich mit niemandem mehr reden; meine Gefühle schwankten zwischen Verzweifelung und Schuldgefühlen. Ich fragte mich, warum mir das gerade jetzt passieren musste, in einem Augenblick, in dem ich es mit viel Mühe geschafft hatte, mir das normale Leben einer Siebzehnjährigen ruhig und froh „aufzubauen“. Die Krankheit meines Vaters schlug rücksichtslos wie eine Bombe ein und brachte all meine Pläne durcheinander. In diesen endlosen Nachmittagen, in denen nur von dem Eingriff und den geringen Überlebenschancen gesprochen wurde, wusste ich wirklich nicht, was ich tun sollte. Genau in diesem Augenblick habe ich die Bedeutung von GS wieder entdeckt, dieser Freunde, denen ich seit Jahren begeistert folgte, mit denen ich eine großartige Erfahrung teilte, aber deren Gegenwart für mich fast selbstverständlich geworden war. Sie waren da, erlebten mit mir die Krankheit meines Vaters, den Eingriff und waren mir in einer wahren Art nahe. Es reichten die kleinen täglichen Dinge, ein gemeinsamer Kaffee bei mir zu Hause, ein Anruf, die Tatsache, dass sie nach mir in der Pause suchten, um mir klar zu machen, dass ich nicht allein bin. Jetzt, nachdem mein Vater den Eingriff überstanden und sich davon sehr gut erholt hat, habe ich nur einen Wunsch: mich immer mehr an diese Gemeinschaft zu binden, die mir den Weg gezeigt hat, dem es zu folgen gilt.
Laura, Fermo

CLU-Ferien
Die Ferien der Studenten vom 4. bis zum 10. August 2006 waren in jedem Fall spannungsvoll und ereignisreich. Offenherzig wurden wir von den Schwestern im «Haus der Familie» in Schönstatt auf’m Berg, Waltenhofen-Memhölz aufgenommen.
Gerne möchte ich einige Eindrücke der intensiven Zeit reflektieren. Obgleich ich seit anderthalb Jahren kein Student mehr und berufstätig bin, war für mich der Wunsch, mit auf die Ferien zu fahren, schon seit Monaten klar. Einerseits freute ich mich über ein Treffen bekannter wie neuer Gesichter, sah aber auch die Möglichkeit, bisherige Freundschaften zu vertiefen.
Es gehe in den Ferien nicht darum, abzuschalten, sondern die Wirklichkeit bewusster als sonst wahrzunehmen und so ihren Quellpunkt neu zu entdecken, hatte Romano gleich zu Anfang der gemeinsamen Zeit betont.
So ließen wir uns vom vorerst wechselhaften bis verregneten Wetter nicht aufhalten, einerseits die Allgäuer Umgebung durch Ausflüge und Wanderungen zu erkunden, andererseits auch die Zeit im Haus intensiv zu nutzen. Der tägliche gemeinsame Beginn des Tages mit den Laudes und die Messe ließen mir bewusst werden, dass Christus uns zusammengeführt hat. Einer der Glanzpunkte der gemeinsamen Zeit war die Fahrt zur Kartause in Buxheim und zur Benediktiner-Abtei in Ottobeuren, die für mich die Tradition und Schönheit des Christentums deutlich vor Augen führten. Den Abend zuvor hatte uns Julia mit einem Vortrag in die Geschichte und Musik der Klöster eingeführt. Im Kloster Ottobeuren empfing uns Bruder Franziskus. Bevor er uns das Gebäude mit der prächtig ausgestalteten Basilika zeigte, erzählte er uns über seine Berufung und das Leben im Kloster – ein authentisches Zeugnis, das uns alle sehr beeindruckte. Er habe stets vertrauensvoll zu Gott gebetet: «Herr, zeige mir, wohin ich gehen soll.» bis er sich seiner Berufung des Lebens bei den Benediktinern bewusst geworden sei. In der Gemeinschaft habe er einen Platz gefunden, seine Sehnsucht zu Gott bewusst zu leben, einen Ort der Stabilität und Kontinuität. Anregend war für mich auch sein Gedanke über das bewusste Nutzen von Zeit: «Manchmal sind es im Leben fünf Minuten, die man passiv verbringt, anstatt in genau dieser freien Zeit die Beziehung zu Christus erneut und bewusst im Gebet aufzunehmen.»
Es war schön zu sehen, wie die Worte des Benediktiners an die von Romano aus den beiden zuvor gehaltenen Lektionen anknüpften. Er hatte beschrieben, wie sich in den Klöstern im Mittelalter das Ich in seiner vollen Form entfalten konnte, es waren «Orte, wo das Herz geheilt und gefördert wurde». Wie die Mönche waren auch die Jünger Christi zur Gemeinschaft vereint und brachten sich doch ganz und gar mit ihrem eigenen Temperament und ihrer Lebenssituation ins Spiel. Die Kirche schlage uns, so erläuterte Romano, eine Gemeinschaft vor, in der das Ich sich ganz entfalten kann und dazu angeregt wird, Christus im klaren Du immer neu zu begegnen. Das Gebet sei keine Frömmigkeitsübung, sondern die höchste Form Mensch zu sein.
Die Frage des Erkennens und bewussten Lebens der eigenen Berufung beschäftigt viele in der Gruppe, wie im moderierten Gespräch im letzten Teil der Ferien deutlich wurde. Das Leben entscheide sich, sagte Romano, in einer konkreten Beziehung, die mich herausfordert und anregt, die tiefe Sehnsucht meines Herzens ernst zu nehmen. Die entstandenen Beziehungen gelte es als Berufungsgemeinschaft zu Christus ernst zu nehmen und zu pflegen.
Neben den Klosterbesuchen bleibt mir auch die sonnige und von ihrer Steigung her fordernde Bergwanderung zum Grünten am Vortag der Abreise als starker Eindruck im Gedächtnis. Die Erhabenheit der Landschaft, in der wir beim Aufstieg eine halbe Stunde schweigend gingen, ließ für mich das Wunder der göttlichen Schöpfung in ihrer Fülle bewusster werden und über das bisher Erlebte nachdenken.
Fordernd gestaltete sich auch Die Schule der Samurai, in die wir von Lorenzo und Paolo spielerisch eingeführt wurden und die für das Team der «Drachen» und «Tiger» volles körperliches Engagement verlangte. Zum Einsatz kam an diesem Tag auch das Krankenhaus in Kempten, die Francas Schlüsselbeinbruch mustergültig wieder einrenkten.
Die Zeit der Ferien waren Tage reich an Impulsen und schönen Gesprächen! Ob es die Präsentation zum «Geheimnis von Hitchcock» oder die angeregte Diskussion zum Thema «Integration und Leitkultur» oder das Vorstellen der Musikgruppe «Wir sind Helden» waren – immer wieder gab es Anregungen, sich intensiver mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen und ihre Schönheit zu entdecken.
Ich habe durch diese Ferien auf neue Art erkannt, wie mir die konkreten Personen in der Gemeinschaft helfen, meine Menschlichkeit mit der Tiefe ihrer Sehnsucht ernst zu nehmen. Dankbar bin ich für die Denkanstöße, das gemeinsame Singen (Come vivere cosí), Essen, Lachen und das Bewusstsein, dass es kein Zufall ist, dass wir uns an die Seite gestellt sind – wir sind Weggefährten in der Gemeinschaft hin zu Christus. Eine Berufung, die jetzt beginnt.
Martin Windolph