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«Die wesentliche Frage» (Benedikt XVI.)
Erziehung bedeutet Liebe zur Freiheit
Elena Ugolini

Das Thema «Erziehung» ist «die wesentliche Frage» für die Zukunft einer Gesellschaft, wie Papst Benedikt XVI. jüngst erneut hervorgehoben hat. Zum Thema «Wagnis der Erziehung», nach dem gleichnamigen Werk Don Giussanis nahmen am Meeting der Vize-Chefredakteur des Corriere della Sera, ein Kollege der Irish Times und der israelisch Botschafter beim Heiligen Stuhl Stellung. Wir geben ihre Beiträge bei einer Diskussionsveranstaltung in Auszügen wieder.

Zur Frage der Erziehung läuft seit einem Jahr eine gesellschaftliche Initiative von Comunione e Liberazione in Italien. Ausgangspunkt war die Neuauflage des Werkes Das Wagnis der Erziehung von Don Luigi Giussani. Auf dem Meeting sprachen nun Magdi Allam, der stellvertretende Chefredakteur des Corriere della Sera, Oded Ben Hur, der Botschafter Israels beim Heiligen Stuhl und John Waters, Kommentator der Irish Times, über die Notwendigkeit einer Wiederaufnahme der Erziehung. Hier Auszüge aus ihren Beiträgen.

Magdi Allam
«Heute ist die Botschaft, die uns Don Giussani mit dem Wagnis der Erziehung hinterlässt, aktueller denn je. Die wesentliche Frage der Gesellschaft besteht in der Erziehung der Jugend. Um zu erziehen, muss man die Vergangenheit in angemessener Weise darstellen. Dabei kann man die Vergangenheit aber nur in einer gelebten Gegenwart wiedergeben. Nur so kann sich eine Übereinstimmung mit den letztgültigen Bedürfnissen des Herzens einstellen. Die wahre Erziehung muss Erziehung zur Kritik sein. Wir wollen, so sagte Giussani, die Jugend von der geistigen Sklaverei befreien, von der Gleichmacherei, die sie geistig zu Sklaven anderer macht. Schauen wir auf die gesellschaftliche Wirklichkeit auf der anderen Seite des Mittelmeeres, im Süden und im Osten, dann müsste sie sich eigentlich von dieser Botschaft zu einem Aufbruch inspirieren lassen. Denn nach dem 11. September, als der Terror begann, nicht nur in New York, Washington, Tel Aviv und Jerusalem Opfer zu fordern, sondern hauptsächlich in den arabischen und muslimischen Staaten, ist man sich einer Sache bewusst geworden, nämlich dass der Wert der Heiligkeit des Lebens entweder für alle gilt oder für keinen. Und wenn man das nicht auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens feststellt, beginnend in den Schulen, dann entsteht ein tödlicher Prozess, der unbarmherzig seinen Gang nimmt. Es ist ein so gravierendes Problem, dass sich die Erziehungsminister der sechs arabischen Golfstaaten im Februar 2005 zu Beratungen über eine Reform der Lehrinhalte an Schulen trafen. Die Reform soll die Kultur der Toleranz, des Respekts dem Nächsten gegenüber und der Pluralität der Meinungen fördern, um so das Phänomen des Terrorismus einzudämmen und ihm die Grundlagen zu entziehen. Diesen Erklärungen sind aber leider bislang keine konkreten Schritte gefolgt.»

Oded Ben Hur
Der Israelische Botschafter beim Heiligen Stuhl versucht sei Jahren, den Dialog zwischen Christen und Juden zu fördern, über Jugendaustausch, Besuche bei katholischen Bischöfen, Treffen mit Rektoren katholischer Universitäten oder die Gründung des Vereins «Katholische Freunde Israels». Er ging auf die Erziehung als Voraussetzung der Freiheit ein. «Die Freiheit ist die Fähigkeit zu wählen, ohne äußere Behinderungen zu entscheiden. Um wählen und entscheiden zu können, ist aber eine Kenntnis der Sachverhalte unerlässlich. Ohne sie bleibt als einfacher Ausweg nur, die Entscheidungen anderer nachzuahmen oder zu kopieren und von anderen beeinflusst zu werden. Dies können Politiker sein, die Medien oder extremistische religiöse Führer. Will man sich aus dieser Kette von Vorurteilen befreien und diese Welt wieder besser machen, dann müssten wir einen Erziehungsmarathon beginnen, der nie enden dürfte. Wenn wir, so wie ihr sagt, die älteren Geschwister der Christen sind, und hier würde ich das Adjektiv weglassen und einfach von Geschwistern sprechen, dann haben wir die gleichen Wurzeln, gehören demselben Geschlecht an. Wenn jemand dich angreift, dann helfe ich, denn wenn ich dir helfe, helfe ich auch mir selbst.»