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Der religiöse Sinn - arabischsprachige Ausgabe
Ein neuer Horizont, jenseits des Vorurteils
Ambrogio Pisoni

Die Übersetzung des Buches von Don Giussani. Eine Gelegenheit der Begegnung zwischen der arabischen Kultur und der christlichen Tradition. Dies machten die beiden bedeutenden Vertreter der ägyptischen Kultur, Professor Wa’il Farouk und der Journalist Said Shoaib auf dem Meeting deutlich

«Das Staunen über einen neuen Anfang»: so lautete der Titel der Vorstellung der arabischsprachigen Ausgabe von Don Luigi Giussanis Buch Il senso religioso (Der religiöse Sinn) – und er wurde Wirklichkeit.
Staunen über die Begegnung mit zwei aus Kairo stammenden Ägyptern, Wa’il Farouk und Said Shoaib, die dieses Buch gelesen und beurteilt haben. Wa’il erläuterte gleich zu Beginn den Grund seines Kommens zum Meeting: Vor einigen Jahren lernte er Paolo Caserta, einen jungen Florentiner, kennen, der nach Kairo gezogen war, um die Sprache und die arabische Kultur zu studieren. Paolo besuchte das Institut Dar Comboni, der Comboni Missionare. Es gilt als die angesehenste arabische Sprachenschule im Nahen Osten. Dort unterrichtet Wa’il als junger Lehrer für arabische Sprache und Literatur. Sie begegneten sich.

Von einer Freundschaft
Eine plötzliche und merkwürdige Sympathie entstand. Die Kenntnis der jeweiligen Geschichte und Kultur war immer begleitet von einer gegenseitigen grenzenlosen Wertschätzung. Auf diese Weise entfaltete die Freundschaft ihre wahre Natur und ihre Aufgabe, die Methode der Erkenntnis zu sein. So führte der junge ägyptische und muslimische Dozent Paolo in die Entdeckung der Geheimnisse seiner Tradition ein und erhielt dafür den Schlüssel, der die Tür zu den Reichtümern der christlichen Tradition öffnet.
Eine Freundschaft, die weiterbesteht und nicht im Schatten der Pyramiden erlischt. Gemeinschaft und Befreiung wurde für Wa’il so vertraut, wie seine Freunde, muslimische Lehrer, Journalisten und Schriftsteller auch und unsere Freunde wurden. Paolo schenkte seinem Freund eine Ausgabe des Buchs Der religiöse Sinn in englischer Sprache: Er las es und war sofort begeistert. Bei unseren Treffen am Ufer des Nils sprachen wir darüber und hegten unweigerlich die Hoffnung, dieses Buch bald auch in der Sprache des Koran zu veröffentlichen. Eine Übersetzung gab es bereits, dank unserer Freundin Thérèse, die in Beirut lebt.

Die Begegnung beim Meeting
Nun mussten wir diese Übersetzung nochmals bearbeiten, um eine Veröffentlichung vorzubereiten. Seenà Fadil, eine seit Jahren in Italien lebende irakische Ärztin, Camille Eid, eine in Mailand lebende libanesische Journalistin und Schriftstellerin, und Shoby Makoul, ein in Jerusalem lebender israelischer Araber begannen mit der Arbeit.
Zwischen Juli 2004 und Januar 2006 trafen sie sich für eine Reihe von Wochenenden. Schließlich war der Text soweit redigiert und konnte in der Druckerei des lateinischen Patriarchats von Jerusalem gedruckt werden, so dass er rechtzeitig zum Meeting erschien.
Leider verhinderte der Krieg den zunächst in Beirut vorgesehenen Druck. Doch ließ sich die Vorsehung nicht von der Gewalt der Menschen aufhalten.
Zusammen mit Wa’il kam sein Freund, der Journalist Said Shoaib nach Rimini. Er leitet eine Zeitung, deren Namen auf Arabisch wie «Freiheit» klingt.
Auf dem Meeting benutzt Wa’il einige Kernbegriffe Giussanis wie Realismus und Vernunft und sofort wird deutlich, dass hier ein bedeutender Beitrag zur Begegnung der Kulturen entsteht: Es geht darin, die wahre Bedeutung der Wörter zu lernen, damit die Wirklichkeit, das in ihr wohnende Geheimnis enthüllt. Das arabische Denken sei von einem Konflikt zwischen Vernunft und Geheimnis erfüllt, betont Farouk. Der Kampf zwischen Traditionalisten und Befürwortern des Modernismus des westlichen, oft französischen Denkens, scheine unüberwindlich.

Ein Mensch «des Lebens»
Der Vorschlag Giussanis ist von besonderem Interesse, da er neue Wege zum arabischen Denken öffnet und eine andere Seite der europäischen Kultur zeigt. Tatsächlich ist mittlerweile der Weg zur «angemessenen» Erkenntnis der christlichen Tradition geöffnet, befreit von der erdrückenden Last des Vorurteils im Stil der Aufklärung. Nun endlich ist es möglich, anfänglich von einer Freundschaft zwischen Vernunft, Wirklichkeit und Geheimnis zu sprechen, gerade weil die Erfahrung einer wahren Freundschaft dreier Männer zum Ort der staunenden Erkenntnis geworden ist. Said Shoaib bestätigt diese Auffassung: «Dieses Buch hat mich überrascht. Ich habe gesehen, dass es ein neues Gesicht Europas vorstellt. Es ist eine Aufforderung, wieder sich das anzueignen, was man von seinen Eltern bekommen hat.» Das Verdienst von Giussanis Buch besteht unter anderem darin, betont Said, dass der Inhalt keine verschlossene Ideologie darstellt oder ein verschlossenes Bild der Religion. In Ägypten tendiert der Glauben dazu, sich zu verschließen, wer sich von diesem Modell entfernt, wird zum Abtrünnigen. Dieses Buch stellt nicht die religiöse Erfahrung als Alternative zum Leben dar, sondern als Anreiz zum Leben, um sich und die Wirklichkeit besser kennen zu lernen. All dies, so betont der Journalist, steht nicht im Widerspruch zu meinen Überzeugungen als Moslem. Beim Lesen des Buches entdeckt Said, dass Giussani kein Mensch der Religion ist, sondern ein Mensch «des Lebens».
Abschließend spricht Don Stefano Alberto, Theologe an der Katholischen Universität Mailand. Die Übersetzung des Buches richte sich nicht nur an die Christen, sondern auch an die muslimische Welt – «auch wenn wir nicht verschweigen dürfen, dass die Situation sehr heikel ist.»

Eine Spur in der Wüste
Der religiöse Fanatismus ist kein Ergebnis wahrer Religiosität. Der religiöse Fanatiker ist ein Mensch, der den Bruch mit seiner eigenen Tradition erfährt und sich vom Groll nährt, bis zum Hass seiner selbst. «Wir lieben den Tod mehr als ihr das Leben»: Das ist die grausame Botschaft der islamischen Terroristen nach dem vor zwei Jahren verübten Anschlag in Madrid. Die Gewalt ist stets das Ergebnis einer Idolatrie, das heißt einer falschen Beziehung zum Geheimnis. Echte Religiosität öffnet sich immer der neugierigen und liebenden Erkenntnis der Wirklichkeit.
Allerdings stellt das Beharren Don Giussanis auf der Elementarerfahrung, das heißt auf dem «Herzen», das jedem inne wohnt, eine große Neuheit dar.
Don Pino betont, dass es sich nicht um eine Übereinkunft allgemeiner Werte handle, sondern darum in «die Tiefe deines inneren Angesichts vorzudringen.» Sicher ist dies nicht einfach, weder für Christen noch für Muslime. Es gibt aber keinen anderen Weg. Er ist zwar beschwerlich aber auch faszinierend, wie Papst Benedikt XVI. in Köln beim Treffen mit den Muslimen, hervorhob.
Der Umschlag der arabischsprachigen Ausgabe des Buchs Der religiöse Sinn zeigt ein Bild des Malers William Congdon: Eine Wüste, markiert durch eine Spur, eine Fußspur, Schritte, denen viele folgen werden. Diese Gewissheit entspringt der Schönheit des Ereignisses: Die Bestätigung, dass bewusste und die Wahrheit liebende Menschen im Geheimnis der Begegnung zu Freunden der Bestimmung werden und somit zu einem Zeichen der Hoffnung und des Friedens für alle.