Logo Tracce


Thema - zur Audienz. Don Giussani, die Bischöfe und die Päpste
Geschichte einer Treue
Massimo Camisasca

Die Audienz mit Papst Benedikt XVI. am 24. März in Rom, Petersplatz, anlässlich des 25. Jahrestags der päpstlichen Anerkennung der Fraternität von Comunione e Liberazione ist eine Gelegenheit, unseren Glauben in der Treu zu Petrus zu erneuern. Er ist ein Halt für unseren Glauben und für die Kirche. Die Treue hat unsere Geschichte und das ganze Leben Don Giussanis gekennzeichnet für den - wie es im Seminar der Gemeinschaft heißt - „die Apostel und ihre Nachfolger (der Papst und die Bischöfe) in der Geschichte die lebendige Fortsetzung der Autorität Christi darstellen... als endgültigen und sicheren Fels: unfehlbar. ‚Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Kirche bauen.‘“ (Der Weg zur Wahrheit ist eine Erfahrung). Die Beiträge auf diesen Seiten sollen dazu dienen sich auf eine bewusste Begegnung mit dem Papst vorzubereiten.

Hat Don Giussani gehorcht? Er, der Tausende von Personen zum Gehorsam erzogen hat, im Sinne einer Zustimmung zum Leben, zum Sein und zu dem, das einen wachsen lässt; einschließlich des Gehorsams gegenüber den Autoritäten, die einem im Laufe des Lebens begegnen. Hat er also der Kirche, den Bischöfen und dem Papst gehorcht?
Zehn Jahre nach dem Entstehen der Bewegung, im September 1964, wurde anlässlich der Einkehrtage in Varigotti der Text Aufzeichnungen einer christlichen Methode veröffentlicht. (Abgedruckt in: Der Weg zur Wahrheit ist eine Erfahrung). Dort heißt es zur Frage der Autorität: «Diesbezüglich muss alles (...) untergeordnet und möglicherweise hingegeben werden». Sechs Monate später wird Don Giussani die Bewegung verlassen müssen und in die Vereinigten Staaten abreisen. Vielleicht ahnte er schon, während er jene Zeilen schrieb, was passieren würde. Er verließ Italien und die Seinen nur wenige Monate, aber das, was von der Bewegung blieb, war anderen anvertraut worden. Das Opfer war groß, auch wenn er in den folgenden 40 Jahren niemals darauf zurückgekommen ist; ein Zeichen, dass die Wunde nie wirklich verheilt war. Giovanni Colombo, sein Erzbischof von Mailand, hatte ihn um diesen enormen Schnitt gebeten.

Montini: «Machen Sie weiter so»
Vor Colombo war Giovanni Battista Montini auf den Bischofssitz der Heiligen Ambrosius und Karl gewählt worden. Die Beziehung zwischen Don Giussani und Kardinal Montini war intensiv. Sie kamen im gleichen Jahr in Mailand an und kannten sich nicht; jemand sprach gegenüber dem Erzbischof von Don Giussani und so übertrug dieser ihm die Evangelisierung der Studenten, im Rahmen der großen Mission für Mailand, die er zu Amtsbeginn ins Leben gerufen hatte. Giussani und Montini besaßen eine völlig unterschiedliche Ausbildung und Sensibilität. Dennoch wusste der spätere Gründungsvater von CL die Aufmerksamkeit, die Neugier und den Respekt des Erzbischofs zu erwecken. Etliche Briefe bezeugen dies. Montini verschwieg die Kritiken nicht, die aus einigen Teilen der Diözesen an Giussani gerichtet waren, vielmehr trug er sie in einem väterlichen und feinen Ton vor und bestätigte zugleich immer seine Wertschätzung für das Werk Giussanis. Als die Kritik ihn schließlich sogar aus Rom, vom Zentrum der Katholischen Aktion erreichte, sprach Montini zu Don Giussani Sätze, die dieser nie mehr vergaß: «Ich verstehe Ihre Ideen und Methoden nicht, aber ich sehe Früchte und sage Ihnen: Machen Sie weiter so». Diese Öffnung ermöglichte Don Giussani das Entstehen und Reifen einer Sohnschaft, eines Wunsches nach Gehorsam. In einem Brief von 1962 schrieb er seinem Bischof: «Es gibt sicher keine größere Art und Weise, Christus zu lieben, als den aktiven Wunsch, der heiligen Kirche Gottes in unserem Bischof zu dienen. Wir wollen Ihnen niemals Grund zum Ärgernis geben, sondern Ihnen all unsere Lebensenergien zur Verfügung stellen».

Colombo: Aufrechter Gehorsam
1963 folgte auf Montini, der als Paul VI. zum Papst gewählt worden war, Monsignore Giovanni Colombo. Er war in den Zeiten Don Giussanis Direktor des Seminars von Venegono und einer seiner wichtigsten Lehrer gewesen. Die zwei kannten sich also und zwar sehr gut. Die Beziehungen zwischen Don Giussani und dem neuen Erzbischof waren verzwickt und oft voller Missverständnisse. Colombo hatte eine große Wertschätzung für Don Giussani und betrachtete ihn als einen seiner besten Schüler. Er hätte es jedoch lieber gesehen, wenn Giussani seine Gaben durch das Lehren der Theologie in den Dienst der Diözese gestellt hätte und hatte Mühe zu akzeptieren, dass dieser sich mit einer wachsenden Gemeinschaft beschäftigte, die Missstimmungen zwischen den Pfarreien und traditionellen Vereinigungen erzeugte. Von seiner Seite aus betonte Giussani, er mache nichts weiter, als den Jugendlichen das vorzuschlagen und vorzuleben, was er im Seminar von eben jenem Colombo gelernt habe.
Daraufhin kam es zu einer Entfremdung zwischen den beiden. Aus Amerika zurückgekehrt, begann Giussani an der katholischen Universität von Mailand zu lehren. Das Herzstück dieses Unterrichts, der später zum Grundstein des Seminars der Gemeinschaft und der ursprünglichen Katechese von CL werden sollte, sind folgende Bemerkungen: «Die übliche Quelle einer letzten, sicheren Erkenntnis ist nicht das theologische Studium oder die biblische Exegese, sondern die Äußerungen des gemeinen Lebens der Kirche, gebunden an das ordentliche Amt des Papstes und der Bischöfe in Gemeinschaft mit ihm». Viele Jahre später wird er sagen: «Die Autorität ist die kontingente Form, die die Gegenwart des auferstandenen Christus als wirksamen Ausdruck seiner Freundschaft mit dem Menschen, mit mir, dir und jedem von uns benutzt».
Man kann also gerade aufgrund der Analyse der Beziehung zwischen Don Giussani und Monsignore Colombo sagen, dass Don Giussani daran gewöhnt war, «aufrecht» zu gehorchen. Er führte der Autorität ständig und beharrlich die eigenen Beweggründe vor Augen und lies sie nicht in Ruhe. Gleichzeitig war die Beziehung zu seinen Bischöfen von einer tiefen Zuneigung geprägt. In einem Brief an Kardinal Colombo aus dem Jahr 1973 anlässlich des 10-jährigen Jubiläums seiner Wahl zum Erzbischof von Mailand, schrieb ihm Don Giussani: «Seit zehn Jahren sind Sie Zeichen und Instrument des Herrn für die Berufung meines Lebens. (...) Wann werden mein Antlitz und meine Geschichte bei meinem Vater Freude wachrufen? Dies ist die Bitte, die ich der Muttergottes an diesem Tag übergebe, der bestimmt ist von der Rührung, die ich vor zehn Jahren empfand, als ich Sie in den Dom einziehen sah». Zum Zeugnis dieses männlichen Gehorsams wird Don Giussani seinem Erzbischof 1975 schreiben: «Wenn meine Person für die Ihre ein Hindernis darstellt, so bitte ich Sie, mich ohne Zögern zu versetzen».

Auf dem Petersplatz mit Paul VI.
Inzwischen war Erzbischof Montini als Paul VI. Papst geworden. Im letzten Teil seines Pontifikates und im Rahmen des Niedergang, der damals das Leben der Kirche beherrschte, begann er auf CL wie auf ein Ereignis zu schauen, das von der Treue zur großen Tradition und also zum Papst beseelt wurde. Am Palmsonntag des Jahres 1975 wurden die Ciellini von ihm auf den Petersplatz gerufen. 18.000 kamen. Es hatte Befürchtungen gegeben, dass der Platz leer bleiben würde. Damals war ein Heiliges Jahr, aber auch gegen diese Feier regte sich Widerstand. Beim Einzug der Zelebranten in die Basilika traf Paul VI. auf Don Giussani. Angerührt von diesem Akt großherziger Treue der Mitglieder von CL gebrauchte Paul VI., wahrscheinlich ohne sich zu erinnern, genau die Worte, die der Gründer von CL schon einmal von ihm gehört hatte: «Das ist der Weg: Machen Sie weiter so! Mut, haben Sie Mut, Sie und Ihre jungen Leute, denn das ist der richtige Weg». Allerdings sagte er diesmal nicht mehr, dass er ihn nicht verstehe.

Johannes Paul II. : vollständige Übereinstimmung
Die intensivste Beziehungen hatte Don Giussani ohne Zweifel mit Johannes Paul II. Beider Leben waren bis tief in Krankheit und Tod hinein verflochten. Den meisten unbekannt bis zum Tag seiner Wahl zum Papst, war Karol Wojty?a Don Giussani und einigen Mitglieder von CL bereits bekannt. Sie hatten ihn einige Jahre zuvor während der Ferien auf der Hohen Tatra kennen gelernt. Die Übereinstimmung der Erfahrung des polnischen Papstes mit jener des Gründers von CL war tief und zeigte sich mit Klarheit schon von den ersten Monaten des Pontifikates an. Nach der ersten Audienz, im Januar 1979, schrieb Don Giussani der ganzen Bewegung: «Wir dienen Christus in diesem großen Menschen mit unserer ganzen Existenz». Dann beschrieb er die zwei maßgeblichen Punkte der Übereinstimmung mit dem Heiligen Vater: Jesus Christus, die Wahrheit eines jeden Menschen und den Glauben als Form des ganzen Lebens, der sich als Kultur ausdrückt und sich in der Erziehung mitteilt.
Die erste Enzyklika Johannes Paul II., Redemptor hominis, wurde wenige Monate später veröffentlicht und als Text im Seminars der Gemeinschaft gelesen. Zwei Jahre später begann die Bewegung mit Zusammenkünften und einer gemeinsamen Initiative, um die vorgeschlagene Thematik des Heiligen Vaters bei der Unesco zu verbreiten, die die Themen der Kultur und Erziehung aufgriff. Seit Beginn seines Pontifikates stellte Johannes Paul II. sich die Frage: «Wer steht mir nahe? Wer kann mir helfen?» In den Laienbewegungen sah er die Antwort auf diese seine Frage. Er bemühte sich deshalb, sie kennen zu lernen, wertzuschätzen und sie schließlich auch kirchenrechtlich anzuerkennen. Er verkörperte die Stimme der Kirche, die «Ja» zu dem sagte, was Don Giussani begonnen hatte. Der Priester aus Desio hatte seit Jahrzehnten auf dieses «Ja» gewartet. Und es schien lange Zeit fast unmöglich - bis wenige Monate vor dem 11. Februar 1982, als der Heilige Stuhl die Bruderschaft von Comunione e Liberazione anerkannte. Johannes Paul II. erkannte dann auch die Memores Domini, die Priesterbruderschaft San Carlo und die Schwestern der Carità dell'Asssunzione an.

Die Treffen mit Kardinal Ratzinger
In den achtziger Jahren kam Don Giussani auf Initiative von Don Angelo Scola und in meiner Begleitung ein bis zwei mal im Jahr nach Rom, um mit Kardinal Ratzinger zu Abend zu essen. Das Treffen, das in den Cappelette neben Santa Maria Maggiore stattfand, lief stets in derselben Art und Weise ab. Don Giussani bat Ratzinger um die Bestätigung der Rechtgläubigkeit der eigenen Positionen und erhielt von ihm immer neue Begründungen, die ihre Wahrheit und Fruchtbarkeit unterstützten.
Die Nähe zwischen Don Giussani und Johannes Paul II. während der achtziger Jahre ermöglichte das unermüdliche Aufblühen von Initiativen. Doch zugleich erregte diese Allianz Aufsehen. Man versuchte, die beiden Männer einander zu entfremden, einen Graben zwischen ihnen zu ziehen. Aber die Tatsache ihrer Übereinstimmung erwies sich stärker als jede andere Logik. Die letzten Lebensjahre von Johannes Paul II. und Don Giussani waren von einer tiefen Gemeinsamkeit in der Krankheit und der Hingabe ihrer selbst an Christus gezeichnet. Und es gab auch einen bedeutenden, intensiven Briefwechsel.
Beispielhaft für diese Beziehung war das Treffen im Mai 1998. Auf dem Petersplatz sprachen der Papst und vier Gründer geistlicher Bewegungen vor Hunderttausenden von Menschen. Unter ihnen war auch Don Giussani. Am Ende seiner Rede näherte er sich dem Papst, stieg die Stufen zu ihm herauf und kniete sich nieder, wie um der ganzen Kirche das darzubringen, was von ihm begonnen worden war. Es war ihr letztes Treffen.