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Irak
Tausendjährige Gegenwart
Riccardo Piol

Der Apostel Thomas kam als erster in das damalige Mesopotamien. Mit ihm drei Schüler: Addai, wie man Thaddäus im Orient nennt, Aggai und Mari, die in dieser Region blieben, auch als Thomas nach Indien weiterreiste. Aus ihrer Predigt erwuchs die `Idta d'Madinkha, die orientalische Kirche, die sich vom 1. bis zum 4. Jahrhundert nach Christus vom heutigen Syrien bis zum Irak und Iran ausdehnte und mit ihren Missionaren bis nach Asien vordrang. Als sich Mitte des 15. Jahrhunderts in dieser Kirche die Vorherrschaft einer einzigen Familie auf dem Patriarchenthron festigte, wählte eine Gruppe von Bischöfen einen eigenen Patriarchen. Als dieser im Jahre 1553 nach Rom gesandt wurde, um die Anerkennung der katholischen Kirche zu erbitten, ernannte ihn Papst Julius III. zum Patriarchen der Chaldäer, nach dem Namen des Volkes, das im Altertum den Nordirak bevölkerte. So entstanden getrennt voneinander die chaldäische und die assyrische Kirche, die sich mehr als 200 Jahre lang über die Anerkennung der Universalität der Kirche Roms stritten und erst um die Jahrhundertwende zu Anfang des 20. Jahrhunderts einen langsamen Weg der Wiederannäherung und Zusammenarbeit aufnahmen. Aus der Geschichte heraus sind im Irak auch Gemeinschaften von Christen des syrischen Ritus gegenwärtig, gespalten zwischen syrisch-katholisch und syrisch-orthodox, deren Ursprünge auf den heiligen Ignatius von Antiochia zurückgehen und deren Patriarchat in Damaskus in Syrien seinen Sitz hat.
Diese sehr alte und vielfältige Gegenwart der Christen hat Spaltungen, Herrschaften und Exile überstanden. Doch die Tragödien des 20. Jahrhunderts und des neuen Jahrtausends bringen diese Gemeinschaften in schwere Gefahr. Vor nur 70 Jahren gab es im Irak über eine Million Christen. Heute schätzt man sie, bei fast 26 Millionen Einwohnern, auf wenig mehr als 600.000. Die zahlenmäßig stärksten christlichen Gemeinschaften sind in Bagdad und in den nördlichen Städten: Kirkuk, Irbil und Mossul, das biblische Ninive. Die Gläubigen des assyrischen, syrisch-katholischen und syrisch-orthodoxen Ritus machen etwa sieben Prozent der Christen aus. Die Katholiken sind etwa 500.000: Die große Mehrheit ist chaldäischen Ritus, aber es gibt auch Lateiner (5.000), Armenier (23.000) und Kopten. Dazu kommen auch 3.000 Griechisch-Orthodoxe und 10.000 Protestanten, die ab dem 18. Jahrhundert in den Irak eingewandert sind.