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Irak - Interview mit Monsignore Fernando Filoni
Die Christen unterstützen - zum Wohl des Irak
Roberto Fontolan und Riccardo Piol

Monsignore Filoni war von 2001 bis 2006 Apostolischer Nuntius im Irak und in Jordanien. Während dieser Zeit hat er das Land Abrahams nicht verlassen, auch nicht während der Bombardierung im Jahr 2003 und den anschließenden Attentaten. In dem folgenden Gespräch bringt Monsignore Filoni die Sorge des Papstes und der Kirche über die dramatische Lage der Christen zum Ausdruck, die gezwungen sind, aus ihrem Land zu fliehen. Dabei gilt es, ihre Anwesenheit zu verteidigen, zum Wohle der Zukunft des ganzen Mittleren Ostens: «Die Christen sind im Irak immer ein wertvolles Element gewesen. Ich erinnere mich, dass mir einige Christen von Muslimen erzählten, die ihnen sagten: "Geht bitte nicht weg aus dem Irak; ihr seid ein Element der Mäßigung in unserem Land"».

Am 25. Februar dieses Jahres hat Benedikt XVI. Erzbischof Fernando Filoni zum Apostolischen Nuntius auf den Philippinen ernannt. Zuvor war er seit 2001 Nuntius in Irak und Jordanien. Monsignore Filoni hat die irakische Bevölkerung nie im Stich gelassen und ist auch in den schwierigsten und gefährlichsten Momenten im Land geblieben. Wir haben ihm einige Fragen zur Lage im Irak gestellt.

Die Besorgnis erregende Frage ist: was beschert die Zukunft den Christen im Irak? Besteht wirklich die Gefahr, dass es dort in wenigen Jahren keine Christen mehr geben wird?
Die Sorge um die Zukunft der Christen im Irak - aber ich würde sagen, dass die gleiche Sorge auch anderen Ländern im Mittleren Osten wie dem Libanon und Palästina gilt - ist nicht neu. Schon vor einigen Jahren beschäftigten sich die Bischöfe des Irak im Vatikan mit dieser Frage. Damals war noch Saddam Hussein in Bagdad an der Macht. Schon zu jener Zeit beobachtete man einen beträchtlichen Exodus aus politischen und wirtschaftlichen Gründen und weil viele Familien der Kriege müde waren: erst mit den Kurden, dann mit dem Iran und schließlich die beiden Golfkriege. Diese Kriege haben viele Familien dezimiert, enorme Zerstörungen angerichtet und die Bevölkerung in Armut gestürzt. Das Leben der Christen in Mesopotamien vor der Gründung des Irak (1920) und in den letzten 87 Jahren ist fast immer schwierig und hart gewesen. Saddam hatte ein weltliches Regime ins Leben gerufen. Die Christen, die als kleine Minderheit fähig waren, sich der labilen politischen Lage anzupassen, hatten einen Modus vivendi gefunden. Ich wiederhole aber, dass schon damals die Auswanderung erheblich geworden war und zahlreiche chaldäische, assyrische, syrisch-katholische und orthodoxe Gemeinden im Ausland entstanden (in Schweden, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Holland, den Vereinigten Staaten, Kanada, Neuseeland und Jordanien), sodass sich das Problem ihrer geistlichen Betreuung und der Erhaltung ihrer kulturellen Identität stellte. Die beträchtliche Zahl irakischer Christen im Ausland, und besonders der Katholiken, veranlasste den Heiligen Stuhl und die Patriarchate dazu, in den Vereinigten Staaten und in Australien neue Kirchensprengel zu schaffen, Pfarreien einzurichten und Patriarchalvisitatoren zu ernennen. Die irakischen Patriarchen und Bischöfe haben während der Sommermonate lange Reisen unternommen, um diese Gemeinden zu besuchen und um ihre Identität und das liturgische Leben wach zu halten.
Gewiss macht die massive Abwanderung infolge der Invasion von 2003 und der Attentate dieser Jahre, auch gegen Kirchen und religiöse Einrichtungen, dieses Phänomen Besorgnis erregend. Wenn eine Familie Haus und Gut verkauft und ins Ausland geht, dann hat sie nicht mehr vor, in das Land ihrer Vorfahren zurückzukehren. Wer in das Dorf seiner Herkunft emigriert, meistens ins irakische Kurdistan, glaubt sehr wahrscheinlich, an seinen Wohnort nach Bagdad, Mossul, Kirkuk oder Basra zurückkehren zu können, wenn der Friede wiederhergestellt ist. Zahlreiche Familien sind also in Erwartung der Zukunft in den Norden des Landes gezogen.
Weitere Tausende leben als Flüchtlinge in Jordanien, Syrien, der Türkei und im Libanon. Meistens sind es Familien, die darauf warten, von einem Land in dem schon Freunde und Verwandte sind, eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Bis dahin vergehen oft viele Jahre. Deshalb müssen sie mit zahlreichen menschlichen und sozialen Schwierigkeiten fertig werden. In religiöser Hinsicht, und auch darüber hinaus, kümmern sich die gastgebenden Priester um diese Glaubensgemeinschaften, aber die Bedürfnisse übersteigen ihre Mittel.
Der Irak beziehungsweise Mesopotamien ist ein Land, das nicht nur für die Gemeinden, die dort von jeher wohnen biblisch und geschichtlich bedeutend ist, sondern für alle Christen angesichts des kulturellen und religiösen Reichtums, der sich dort in den ersten christlichen Jahrhunderten entwickelte und das Leben der Kirchen entscheidend beeinflusste. Vergessen wir nicht, dass, wie die Apostelgeschichte hervorhebt, an Pfingsten unter den Zeugen der ersten Predigten der Apostel auch Bewohner von Mesopotamien waren.

Johannes Pauls II. hat mit prophetischen Worten unermüdlich vor dem Krieg gewarnt, sowohl aus grundsätzlichen Erwägungen wie aufgrund der vorhersehbaren Folgen. Wie kam es zu dieser Situation? Hat der Krieg antichristliche Tendenzen bestärkt oder hatte der Prozess der Ausgrenzung, wenn nicht gar Diskriminierung der Christen auch im Irak wie in anderen Ländern unabhängig von der seit 1991 anhaltenden Golfkrise begonnen?
Die Bibel bestätigt, dass Propheten nur schwer Gehör finden; wenigstens bei Fragen, wo es um das Schicksal der Völker geht. Bei Johannes Paul II. war es auch nicht anders. Wer erinnert sich nicht an den hoch erhobenen Finger während des Angelus an jenem Sonntag Mitte März 2003 unmittelbar vor dem Beginn des Irak-Krieges, als er zum letzten Mal vor dem Krieg warnte? Und er wurde nicht gehört! Ich erinnere mich, dass mir nach dem heiligmäßigen Tod des Papstes einige moslemische Führungspersönlichkeiten einen Besuch abstatteten und mir sagten: «Nicht einmal die Führer der islamischen Länder haben den Irak so gegen den Krieg verteidigt wie Johannes Paul II.!»
Ich möchte klar stellen, dass es im Irak nach dem Krieg keinen besonderen Hass gegen Christen gegeben hat, abgesehen bei einigen Ereignissen und an Orten wie Mossul. Die Christen haben gelitten und leiden wie alle Iraker, Schiiten und Sunniten, ohne Unterschied. Terroranschläge haben sich sowohl gegen Kirchen wie gegen Moscheen gerichtet. Der Eindruck einer Feindlichkeit gegenüber dem Christentum ist nicht korrekt. Vielleicht rührt er daher, dass im Westen mehr von den Angriffen auf Kirchen gesprochen wird; vielleicht auch daher, dass die Christen als kleine Minderheit sich mehr dem Terrorismus ausgesetzt fühlen und weder militärisch noch politisch organisiert sind, wie das in der islamischen Welt und ihren unterschiedlichen Gruppierungen der Fall ist. Die christlichen Parteien sind bei den kürzlichen Parlamentswahlen wegen ihrer Zersplitterung und der ohnehin geringen Zahl der Christen erfolglos geblieben.

Wie war die Stellung der Christen in den langen Jahren des Saddam-Regimes und den Jahren nach dem ersten Golfkrieg, und welche Rolle spielten sie?
Wie ich schon sagte, haben sich die Christen als kleine Minderheit immer den verschiedenen politischen Gegebenheiten anpassen müssen und haben aus politischer Sicht nur eine Nebenrolle gespielt. Das heißt nicht, dass einzelne Christen nicht eine wichtige Rolle gespielt hätten, zunächst nach Gründung des Königreichs (Vertrag von Sèvres, 1920) und dann der Republik (14. Juli 1958, Aufstand von Abdul Karim Kassem). Saddam benutzte gegenüber den Christen Drohung und Schmeichelei. Solange sie sich nicht gegen sein Regime stellten, wurden sie gut behandelt und respektiert. Das heißt aber nicht, dass die Christen nicht gelitten hätten. Wer kann das Leid derer vergessen, die in den Dörfern Kurdistans lebten, wo jahrzehntelang ein Kampf zwischen Zentralgewalt und kurdischen Aufständischen (Pashmerga) tobte? Wie viele Dörfer wurden angegriffen und zerstört und wie viele Christen wurden gezwungen auszuwandern! Stellten sie sich nicht auf die Seite der Zentralregierung, hielt man sie für Aufständische, stellten sie sich nicht auf die Seite der Pashmerga, galten sie als regierungsfreundlich. Ab dem Ende der 50er Jahre zogen zahlreiche Familien nach Mossul oder Bagdad, um den Kämpfen zu entkommen und vergrößerten so diese Diözesen beträchtlich. Bagdad, das wegen der Einkünfte aus dem Ölgeschäft und der unternehmerischen Entwicklung einen Wirtschaftsboom erlebte, wurde so zur größten chaldäischen Diözese und der Patriarch musste sogar von Mossul nach Bagdad umziehen.
Ich möchte jetzt kurz auf die Rolle der Christen im Irak eingehen: Die Geschichte des frühen Christentums in Mesopotamien ist außerordentlich reich an theologischer und philosophischer Bildung. Dazu haben einige Dominikanerpatres und syro-assyro-chaldäische Gelehrte bedeutende Untersuchungen veröffentlicht. Ich will mich aber auf die Rolle beschränken, die die Christen und besonders die Katholiken in jüngster Zeit im Irak gespielt haben, und zwar in Erziehung und Sozialwesen. Seit der Gründung des Irak war die Einrichtung von Schulen in Dörfern und Städten eine der ersten Aufgaben der Missionare und der Ortskirchen. Dominikanerinnen aus Tours waren schon 1873 nach Mossul gekommen. Kurz danach richteten sie eine lokale Niederlassung ein, die sich der Erziehung und der Unterstützung Bedürftiger widmete. Anfangs standen die Schulen nur Christen offen, in einer zweiten Phase auch Muslimen. Oft waren 51 Prozent der Plätze für Christen reserviert, 49 Prozent standen Muslimen zur Verfügung. Dominikaner, Karmelitaner und Jesuiten haben eine unvergleichliche Rolle gespielt: 1932 gründeten Jesuiten aus Boston das namhafte Bagdad College und anschließend, 1956 die Al Hikma Universität (Fakultäten für Natur- und Verwaltungswissenschaft), die jungen Irakern die Tore der amerikanischen und britischen Universitäten öffnete. Hunderte von Studenten fanden hier eine Ausbildung und trugen dazu bei, die Verwaltung und Wirtschaft des Irak zu modernisieren, bis dann die Baath-Partei die Schulen verstaatlichte, die Gebäude beschlagnahmte und die Missionare auswies (1969). Die Erfahrung mit karitativer und sozialer Tätigkeit war weniger traumatisch. Mönche und Nonnen stellten sich sehr gern in den Dienst an Bedürftigen und Armen. 1968 wurde auch ein Krankenhaus eröffnet, das Saint Rafael Hospital, das trotz der begrenzen Bettenzahl der Bevölkerung Bagdads unermessliche Dienste leistet. Ich könnte noch zahlreiche weitere Initiativen erwähnen.

In diplomatischen Kreisen stellt man heute die Hypothese auf, das Land in drei Zonen zu teilen: eine sunnitische, eine schiitische und eine kurdische. Wäre das nicht eine mögliche Lösung für einen Konflikt, der bereits zu einem Bürgerkrieg geworden ist? Was wäre das Schicksal der Christen, nach Kurdistan zu fliehen?
Ein geteilter Irak ist kein Irak mehr. Man sollte besser an geographische Einflusszonen denken: Eine schiitische Mitte-Süd-Zone. Man darf nicht vergessen, dass die Schiiten, auch die iranischen, dieses Gebiet als die Wiege ihres Glaubens ansehen, wo sich ihre heiligsten Stätten befinden: Nadschaf und Kerbela. Hier wollen sie in Erwartung der Wiederkunft des «verborgenen» Imam begraben werden. Eine zentrale Zone, in der größere Gebiete teils schiitische, teils sunnitische Mehrheiten haben oder gemischt sind und eine Nord-Ost-Zone, Kurdistan, die ethnisch sicher die homogenste ist, aber an den inneren Grenzen nicht weniger problematisch. Zu ihr würde Kirkuk, das antike Assyrien, und Mossul gehören. Dann muss man bedenken, dass Ideologien, Parteien, Ansprüche, Interessen, nationale und internationale Begehrlichkeiten im Spiel sind, die alles sehr viel komplizierter und problematischer machen. Die Idee der Teilung scheint mir allzu oberflächlich vereinfachend. Sie erscheint nur dem gut, der das Land und seine Vielschichtigkeit nicht wirklich kennt. Die Christen sind eine Minderheit, die wohl noch weiter schrumpfen wird. Sie werden es nicht leicht haben. Ihre geringe Konzentration in der Ebene nord-östlich von Mossul, dem antiken Assyrien, garantiert ihnen meines Erachtens keine eigene politische Entität. Aber eine kulturell-religiöse und vielleicht auch eine wirtschaftliche Eigenständigkeit müsste zum Wohle des ganzen Irak gewahrt werden.

Wie sind die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen?
Die Christen waren trotz ihrer geringen Zahl immer ein wertvolles Element für den Irak. Ich erinnere mich, dass mir einige von ihnen von Muslimen erzählten, die ihnen sagten: «Geht bitte nicht weg vom Irak; ihr seid ein Element der Mäßigung in unserem Land!» Ich glaube sie hatten Recht. Ich denke, diese Aussage wird von weiten Teilen der islamischen Bevölkerung geteilt, die in den großen Städten Seite an Seite mit Christen wohnen. Nicht unähnlich denken politische Führer, die ich kennen gelernt habe und die mir immer ihre Sympathie und Solidarität bekundeten, wohl wissend, dass der Heilige Stuhl keine wirtschaftlichen, politischen oder militärischen Interessen zu verteidigen hat und wirklich das Wohl der Bevölkerung des Landes wünscht. Man darf auch nicht vergessen, dass während beider Golf-Kriege die Vertreter des Papstes immer in Bagdad geblieben sind und das traurige Schicksal der Bevölkerung geteilt haben. Ich glaube, dass trotz aller Umwälzungen, die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen grundsätzlich immer noch gut sind. Aber gewisse Kriminelle, Fanatiker und Terroristen sehen heute in den Christen, besonders in den Fach- und Geschäftsleuten, eine Geldquelle durch Menschenraub und Erpressung. So sind kürzlich auch einige Priester und ein Bischof entführt worden, von denen Geldsummen erpresst worden sind, bevor man sie frei ließ. In einigen Fällen hat man sie sogar ermordet.

Neben den tragischen Ereignissen in der Tagespresse stehen die Christen auch vor der heiklen Frage der Verfassung. Ihr Text nimmt auf die Scharia Bezug, auch wenn das Prinzip der Religionsfreiheit dort verankert ist.
Die im Jahre 2005 angenommene Verfassung, für die eine große Mehrheit der Bevölkerung gestimmt hat, zeigt die Sehnsucht der Bevölkerung, ein normales Leben zu führen und ein ziviles Zusammenleben zu erreichen. Aber sie stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Zum einen, weil sie schon vor der Volksabstimmung von ihren eigenen Verfassern abgelehnt wurde, so kam es zu einem Kompromiss, der die Revision der Verfassung nach den Parlamentswahlen 2005 vorsah. Zum anderen berücksichtigt sie die Rechte religiöser Minderheiten nicht hinreichend und unterwirft sie islamischem Recht. Von Religionsfreiheit reden und dann alles der Scharia unterstellen ist ein offenkundiger Widerspruch.

Die Lage der irakischen Christen ist auch von Zersplitterung und Einzelinteressen gekennzeichnet, was ein gemeinsames Handeln auf politischer und institutioneller Ebene erschwert.
Die Christen im Irak hatten keine Parteierfahrung. Als sich nach dem Fall des Regimes von Saddam ein Parteiensystem herauszubilden begann, bemühten sich viele Christen, auch die aus dem Ausland heimgekehrten, Parteien aufzubauen. Aber die ethnisch-religiöse Zersplitterung in Chaldäer, Assyrer, Syrer, Armenier, Katholiken oder Orthodoxe sowie die Eifersucht um Macht und Geld verhinderte, dass es zu einer Gruppierung kam, in der sich alle Christen hätten wiederfinden können. Im Moment gibt es nur zwei christliche Parlamentarier.

Inzwischen verzeichnet man im Irak einen anderen «Einmarsch», den der protestantischen Sekten. Monsignore Sako, der chaldäische Erzbischof von Kirkuk, hat unlängst erklärt, dass sie «eine aggressive Mitgliederwerbung auch unter Katholiken und Orthodoxen betreiben und allein in Bagdad bereits 36 neue Kirchen haben». Läuft diese Erscheinung nicht Gefahr, die Unduldsamkeit zu verschärfen, unter der die Christen ohnehin schon leiden?
Die Sekten kamen mit den amerikanischen Soldaten. Man wirft ihnen bisweilen auch Bevorzugung und Mitgliederwerbung vor. Angesichts der wirtschaftlichen Armut im Irak hat derjenige leichtes Spiel, der über Geld und Hilfen verfügt oder auch Auswanderung versprechen kann. Man muss jedoch auch zugeben, dass die historischen Kirchen des Landes, Katholiken wie Orthodoxe, nicht darauf vorbereitet waren, es mit der Lebendigkeit der Initiativen und dem Organisationsgrad der Prediger aufzunehmen. Ich weiß nicht wirklich, inwieweit die irakischen Christen von dem Credo überzeugt sind, das viele Sekten verkünden und das so anders ist als das, was sie zuvor immer bekannt haben. Sicher ist, dass es diesen Sekten gelingt, Hunderte von Christen und so manchen jungen Muslim anzuziehen. Letzteres ist ein Aspekt, der den traditionellen interreligiösen «Frieden» destabilisiert.

Angesichts der ständigen Abnahme christlicher Gegenwart im Irak und im Mittleren Osten hat der Papst mehrfach Alarm geschlagen. Monsignore Mamberti, der Sekretär des Heiligen Stuhls für die Beziehungen zu den Staaten, hat unlängst dazu aufgefordert, «diese Gemeinschaften zu unterstützen, um ihrer selbst willen und um der Rolle willen, die sie spielen können und sollen». Wie können wir Christen des Abendlandes unseren Brüdern helfen?
Der Aufruf des Papstes deckt sich mit dem der irakischen Patriarchen und Bischöfe, die zuschauen können, wie ihre Gemeinschaften schwinden. Es ist ein Aufschrei, der sowohl in den katholischen als auch in den orthodoxen Kirchen Aufmerksamkeit finden sollte. Solange die Guerilla und die Attentate weitergehen, ist da herzlich wenig zu machen. Nur der Frieden kann neue Hoffnung bringen. Schmerzlindernde Initiativen können eine gewisse Wirkung entfalten. Aber wie lange? Indem der Heilige Stuhl einen Vertreter in Bagdad belässt, gibt er der christlichen Gemeinschaft ein Zeichen der Ermutigung, das Land Abrahams zumindest nicht endgültig zu verlassen, das Land vieler Propheten und das Land einer Christenheit, die einst der Kirche Glanz verlieh.

Während der langen Jahre der kommunistischen Diktaturen klagten die Christen in Osteuropa über unsere Unempfindlichkeit und Gleichgültigkeit gegenüber ihrem Schicksal. Sind wir möglicherweise in derselben Lage gegenüber unseren Brüdern im Mittleren Osten?
Die Lage ist anders. Die Medien informieren uns. Die Nachrichten kommen und gehen. Es gilt aber zu vermeiden, aus den Ereignissen im Irak einen Religionskrieg zu machen. Papst Johannes Paul II. vermied das und hatte Recht. Aber die Gefahr ist immer da, besonders wenn man «religiöse» Aufhänger sucht, um anderen die eigenen Ideen oder die eigene politische Vorstellung aufzuerlegen. Diesbezüglich sieht es im ganzen Mittleren Osten ähnlich aus. Was den Irak angeht, hat dieses Land eine harte Geschichte, und die Leute hier haben eine gewaltige Widerstandskraft entwickelt. Ich denke, dass aus dieser Widerstandskraft eines Tages ein Zusammenleben erblühen wird. Aber der Weg ist noch lang und mühsam. Es liegt an uns, ihnen zu helfen.