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Aus russischer Sicht
In der Schule der Hoffnung
Aleksandr Archangel’skij*

Ich habe keine theologischen Vorkenntnisse, ich finde keinen Gefallen daran und ich bin es nicht gewohnt mich mit Theologie zu befassen. Aber der so ernste und tiefgründige Text von Papst Benedikt XVI. bewegt mich dazu, noch einmal die heutige Wirklichkeit, in der ich lebe und in der ich mich bewege, zu betrachten. Worauf, auf wen kann ein Christ in diesem Zusammenhang seine Hoffnung setzen, auch der zuletzt Angekommene? Die Antwort könnte allzu einfach scheinen: Auf Gott, auf die Vorsehung. Aber für denjenigen, der sich nicht darauf beschränkt, auf eine globale und allgemeine Art und Weise zu antworten, sondern auf eine konkrete und dabei zum Kern der Sache kommt, für den ist das Problem tatsächlich schwierig. Wen und was wir lieben, wissen wir. An was wir glauben, erahnen wir (auch wenn wir so leben, als wenn wir an nichts glauben würden). Aber an der Hoffnung scheitern wir. Je solider, äußerlich zuverlässig sich die nachchristliche Welt dartellt, desto verzweifelter wird die Wahrnehmung, die wir vom Leben haben. Wir können nicht auf den Zusammenbruch einer Weltordnung hoffen, die Gott aus dem Weg geräumt hat, aber sich äußerst komfortabel präsentiert, so wie dies christliche Bürger despotischer, orientalischer Regime oder totalitärer Systeme taten. Und das schlicht und einfach deshalb, weil der Zusammenbruch der derzeitigen Ordnung zur Entstehung einer neuen, bei weitem schlechteren Ordnung führen könnte (und sehr wahrscheinlich wird es so passieren). Wir können nicht auf die stufenweise Rückkehr der Fundamente der christlichen Kultur hoffen. Denn in der Geschichte gibt es nichts, das je wiederkehrt. Wir können nicht auf den Fortschritt hoffen, denn der Fortschritt einer Zivilisation bringt oft einen Rückschritt im Glauben mit sich. Wir können nicht auf "Prinzipien" hoffen, denn sie retten nicht. Aber noch weniger können wir uns mit dem zufrieden geben, was es gibt. Denn daran hindert uns das Bewusstsein.
In diesem Sinne ist die Enzyklika Spe salvi von außerordentlicher Aktualität. Sie erfasst das Herz unserer existenziellen Problematik. Sie erinnert uns daran, dass uns die Hoffnung angeboten wird, als Intuition, als Entdeckung, in dem Maße, in dem wir uns zu einer persönlichen Arbeit erziehen. Hoffen bedeutet nicht, sich nur allgemein auf die Tatsache zu verlassen, dass alles gut gehen wird. Zu hoffen erfordert einen täglichen Einsatz. Es schließt eine Wachsamkeit, eine Verfügbarkeit ein, so dass wir der göttlichen Vorsehung etwas vorzeigen können, wenn diese uns eine Möglichkeit anbietet, uns als Christen in der Geschichte zu verwirklichen. Das Furchtbarste, was passieren könnte, wäre, wenn uns eine neue Chance angeboten würde und wir (ich sage nicht die Welt, ich sage wir) uns mit erloschener Lampe vorfinden würden. Kurz und gut: Hören wir auf diesen väterlichen Aufruf und machen wir uns an die Arbeit der Hoffnung.

*Aleksandr Archangel’skij, Journalist und Leitartikelschreiber von Izvestija.