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Briefe
Briefe Juli/August 2008
Zusammengestellt von Paola Bergamini

Ein wohlwollender Blick

Dieses Jahr wollte ich mit meinem Kollegen Sauro und Luigi, dem Leiter der Schule, an der ich Religion unterrichte, jeden Donnerstag mit unseren Schülern verbringen, mit ihnen ein Vesperbrot essen und ihnen beim Lernen helfen. So gingen wir nach der letzten Stunde in den Videoraum, breiteten dort eine Tischdecke aus, sprachen ein Gebet und aßen zusammen, während wir über uns und die schulischen Probleme sprachen.
So ging es das ganze Jahr hindurch. Nach dem Mittagessen wurde gelernt. Die Gruppe schwankte zwischen vier und zwanzig Jugendlichen. Am letzten Donnerstag kamen fünf Jungen, darunter auch jene, die beim Lernen am meisten Schwierigkeiten hatten. Am Ende schlugen wir ihnen vor, einen kleinen Ausschnitt aus dem Seminar der Gemeinschaft zu lesen. Es ist der Abschnitt über Giussani und Manfredini. «Dass Gott Mensch geworden ist, ist etwas aus der anderen Welt», sagte der eine zum anderen, wobei er ihn am Arm nahm und der andere ihm entgegnete. «Etwas aus der anderen Welt … in dieser Welt!».
Die Reaktion der Jungen war unmittelbar und überraschte uns: «Und wir? Hm, auch wir haben in diesem Jahr etwas aus der anderen Welt erlebt, die Freundschaft unter uns». «Ich – sagte einer von ihnen – hielt eine Freundschaft mit den Lehrern und dem Schulleiter nicht für möglich. Und dann, ausgerechnet ich! Es gibt etwas aus der anderen Welt in dieser, in der Mittelstufe war das undenkbar».
Nicolò, einer der die Klasse wiederholen muss und das ganze Jahr von Sauro bedrängt wurde, sagte, dass auch er etwas aus einer anderen Welt erlebt hatte: die Hilfe und die Ausdauer von dem, der ihm beigebracht hatte, sich zum Arbeiten zu zwingen. Er wird im nächsten Jahr wiederkommen, um sich im Itis einzuschreiben, wegen dieser Gemeinschaft.
Unsere Jugendlichen wurden durch das Opfer, das dieses Jahr ihnen gebracht hatte, in das Geheimnis eingeführt, durch einen Blick voller Zuneigung; und am Ende erkannten sie dessen Ursprung.
Als wir weggingen, nahm mich Sauro am Arm und sagte zu mir: «Danke». Es ist nicht das gewöhnliche «Danke», ich vermute, es war der gleiche Blick, den die beiden hatten, als sie auf der Treppe standen und die wichtigste Offenbarung ihres Lebens hatten.
Piero, Chioggia

Das Wunder der Veränderung

Lieber Don Eugenio,
in diesen fünf Monaten habe ich eine Zuneigung und eine Aufmerksamkeit bei der Begegnung, die ich gemacht habe, erfahren, die bewegend und wirklich unerwartet waren. Von den Freunden, die davon wussten, und von denen, die ahnten, dass es mir schlecht ging und mir auf diskrete Art und Weise beistanden. Von dir, mit deiner Bereitschaft und Freundschaft bis hin zu Carrón, als er mich umarmte und mir sagte: «Ich bin da, ich bin bei dir». Eine Sache hat mich in dieser Zeit beeindruckt und ich bin so ehrlich, es dir zu sagen, das alles reichte mir nicht! Ich war weiterhin genauso traurig. Denn die Wunde blieb. Was das Problem an sich betraf, hat sich absolut nichts geändert. Am Sonntag kam ich von den Exerzitien zurück und es begann wieder die übliche Leier: die Ehefrau, die nicht lächelt, weil sie dir ein schlechtes Gewissen machen möchte, dass sie die Kinder für zwei Tage alleine versorgen musste, während du, wie immer unterwegs warst, und die wieder lamentierte, dass ihr alles zu schaffen macht.
Ich versuchte zu erzählen, was ich erlebt und was ich getroffen hatte. Doch ich fand mich vor einer Person, die an anderes dachte. Am Tag danach fand ich die gleichen Spannungen vor, das gleiche Schweigen, den gleichen Groll. Der Umstand, die Wunde, blieb gleich, ich kann, ich schaffe es nicht zu sagen, dass sich in mir nichts verändert hat, denn in Wirklichkeit hat sich alles verändert! Alles! Ich kann mir nicht all diese Augenblicke aus dem Gedächtnis löschen, die ich in Rimini erlebt habe, angefangen bei dem Zeugnis der Zerbinis, das mich am meisten bewegt hat, bis hin zum Normalsten, wie das Essen eines Blätterteiggebäcks mit Freunden. Ein Überfluss, ein Wunder, eine Fülle … Christus! Er war dort unter uns, Er war bei uns! Ein Faktum!
Ein konkretes Faktum und kein Diskurs, an dem mein Herz vollkommen haftet, denn es entsprach vollkommen. Als ich mich dort physisch mit gewissen Personen befand, mich an gewissen Gesten hielt, an einem bestimmten Ort mit bestimmten Gesichtern, fühlte ich mich wortwörtlich wie der einzige Leprakranke, der zu Jesus zurückkehrte, nachdem er geheilt worden war. Es ist auch für mich ein Wunder geschehen, und ein noch viel größeres Wunder ist folgendes: in diesen Tagen schaue ich nicht mehr auf die blutende Wunde, sondern auf Den, der mir diese zugefügt hat und Der, der Einzige ist, der diese heilen kann. Mir gelingt es ehrlich gesagt nicht zu sagen, dass ich Gott für diese offene Wunde danke, aber ich bin für die Präsenz des Verbandes dankbar, das heißt für all die Freunde, die mir bezeugen, dass man glücklich sein kann, auch wenn eine Wunde weiter blutet. Es ist auch nicht so, dass Er in diesen fünf Monaten nicht da war, aber das für mich einzig mögliche Wunder, glücklich zu sein, fiel ausschließlich mit der geheilten Wunde zusammen (Trennung zwischen Vernunft und Erfahrung). Aber wie du gesagt hast: Er taucht darunter wieder auf, schlägt sich von neuem vor, Er wartet darauf, dass du deine Freiheit ins Spiel bringst, aber mit Geduld … Es geschieht wieder und so hat es sich auch für mich bei den Exerzitien ereignet. Jesus kann man nicht sehen, aber man kann Ihn erkennen und das habe ich erfahren.
Unterschriebener Brief

In der Klasse

Lieber Don Carrón,
ich bin Lehrerin, bereits kurz vor der Pensionierung und ich schreibe Ihnen, um für die sehr schöne Lektion am Sonntag, 18. Mai zu danken, dafür, dass Sie uns auf eine klare und konkrete Art und Weise wieder auf die Wirklichkeit aufmerksam gemacht haben: Wir können nichts tun, es ist Christus, der wirkt. Sonntagabend habe ich die Notizen zusammen mit meinem Mann, der auch Lehrer ist, wieder gelesen, und obwohl wir die Wahrheit, die diese enthalten, erkannten, trat die übliche Ratlosigkeit auf: Die Jugendlichen von heute nehmen keinen ernsthaften Diskurs mehr auf, es ist fast unmöglich, ihnen etwas Wahres mitzuteilen, und so weiter. Am Montagmorgen versuchte ich dennoch in die Schule zu gehen und im Gedenken an Christus zu handeln. So passierte etwas völlig Unerwartetes, für mich war es ein Wunder. Ich betrat eine erste Klasse, in der ich gewöhnlich ziemlich Mühe habe, Unterricht zu halten, und ein Mädchen fragte mich: «Wie kommt es, dass Sie in diesen Tagen viel froher sind?». Ich war erstaunt und antwortete: «Weil es Jesus Christus gibt», und sie meinte: «Aber gab es den nicht auch schon vorher?». «Ja, aber in diesen Tagen hat mich jemand erneut daran erinnert» (die Woche davor war ich bei den Exerzitien der Arbeitenden). «Aber wie machen Sie es, sich dessen sicher zu sein?» Das, was herauskam, passte ganz klar und deutlich zu dem, was wir gerade im Seminar der Gemeinschaft behandeln. «Auch ihr müsst vertrauen, um zu lernen: dem Lehrer, dem Buch, dem Text. Man muss lernen zu erkennen, ob ein Zeuge glaubwürdig ist …» Und so erzählte ich ihnen von meiner ersten Begegnung mit der Bewegung, als ich wenig älter als sie war. Noch nie hatte ich diese Klasse so aufmerksam gesehen, sogar das Mädchen, das sonst am meisten schwätzt, und plötzlich fragte sie mich: «Warum schauen Sie mich an?» «Ich habe dich noch nie so aufmerksam gesehen.» «Das liegt daran, weil mich dieses Thema interessiert.» Ich schlug ihnen vor, zum Happening der Jugendlichen zu kommen. Ich weiß nicht, ob jemand kommen wird, ob es mir gelingen wird, wenigstens jemanden in eine Freundschaft einzubeziehen, bei der Christus im Zentrum steht.
Ich hoffe es und bete dafür, aber in mir überwiegt jetzt das Staunen und die Dankbarkeit, wieder einmal gesehen zu haben, dass der Herr wirklich wirkt.
Maria Grazia, Pavia

Erstkommunion

Lieber Don Carrón,
seit ein paar Jahren treffe ich mich mit einigen Freunden zur Caritativa. Wir betreuen bedürftige Kinder aus der Pfarrei am Nachmittag nach der Schule. Auf diese Weise haben wir zwei Brüder kennen gelernt, bei denen zu den wirtschaftlichen Problemen noch hinzukommt, dass sie Waisen sind. Als der Ältere von beiden zu Erstkommunion kam, hatten wir zusammen die Idee, für ihn ein Fest zu machen. Dann aber stand ich aus mehreren Gründen bei dieser Sache etwas allein da, allein und überhäuft mit Aufgaben zu Hause und im Studium. Der einfachste Weg wäre gewesen, diese Idee fallen zu lassen. Allerdings hatte sich Andrea schon sehr darauf gefreut und zählte die Tage bis zur Kommunion. Daher beschloss ich, indem ich an Don Giussani dachte, als er über das «Ja» der Muttergottes sprach, wieder von neuem alle um Unterstützung zu bitten, zu Hause, die Freunde und in der Pfarrei. Dieses Mal aber war meine Bitte ohne jede Forderung, voller Erwartung, wie wenn man vor einer unbekannten Sache steht, von der man nicht weiß, was man sich erwarten soll. Die Überraschung bestand aus einem Fluss von Dankbarkeit von Freunden und Verwandten, die sich bereit erklärt hatten, alles vorzubereiten und auch zu bezahlen.
Am Montag nach der Kommunion besuchte ich wegen einer tragischen Sache, die passiert war, die Oma meines kleinen Freundes. Es war sehr schön zu sehen, dass sie mir auch angesichts eines Ungemachs erneut für das Fest für ihren Enkel dankte. Diese Dankbarkeit war nicht für das Geld, das wir ausgegeben hatten, oder für die Dekoration im Pfarrsaal, sondern weil sie zum ersten Mal ihre Familie wieder vereint und froh gesehen hatte und ihr Enkel glücklich war: «Er lachte mit den Augen», sagte sie. Und sie hatte an jenem Tag verstanden, dass es trotz allem eine schöne Hoffnung für sie gibt. Und all das wurde ihr bei einem Fest bewusst, das nicht einmal gut organisiert war. Es gab keine Spiele oder Animateure, das Essen war sehr einfach, aber wir da waren. «Denkt an Johannes und Andreas, als sie diesen Mann getroffen hatten, sind sie nach Hause zu ihren Frauen und Kindern gegangen … sie machten dasselbe wie vorher, aber nicht so wie vorher: zwischen ihnen und dem, was sie taten, war diese Gestalt. Beim letzten Seminar der Gemeinschaft fragte Tonino für was wir dankbar seinen.» Ich bin für diese Sache dankbar, für die Tatsache, dass Christus für mich mehr als nur ein Name ist. Er ist Fleisch geworden und er nimmt jeden Tag Fleisch an. Das ist nicht voraussehbar, aber es gibt einen konkreten Ort, der mich daran erinnert, und wo mir das jedes Mal wieder bewusst wird.
Rosa, Nola

Eine Weinprobe besonderer Art

Ich bin seit einigen Monaten über das Erasmus-Programm Gaststudent an der Universität München. Dabei hatte ich Gelegenheit, andere Studenten der Bewegung kennen zu lernen. Mit der Zeit spürten wir das Bedürfnis, die Mühe des Studiums und des Alltags irgendwie zu teilen. So trafen wir uns täglich in der Bibliothek zum Lernen, beteten gemeinsam den «Engel des Herrn» und gingen anschließend in die Mensa. In den Pausen entstand der Wunsch, unseren Horizont über die Ludwigstraße hinaus zu erweitern. So entstand die Idee, unseren Freunden und Bekannten die Arbeit einer deutschen Hilfsorganisation zur Unterstützung von Kinderpatenschaften in Uganda (Support International e.V.) vorzustellen. Wir wollten dieses Werk der Nächstenliebe, das uns tief betroffen machte, auch anderen bekannt machen.
Die Idee wurde immer konkreter und nahm eine ganz eigene Form an: Ein Onkel von mir ist Winzer und wollte seit eh und je seine Weine auch in anderen Ländern anbieten. So bildete die Weinprobe einen Rahmen ganz besonderer Art für den Abend. In Deutschland wird die italienische Küche ohnehin geschätzt – dies war eine Gelegenheit, unsere Freunde durch einen einzigartigen Abend an unserer Erfahrung teilhaben zu lassen.
Nachdem wir uns entschieden hatten, machten wir uns zügig an die Arbeit. Nach und nach wurde alles organisiert, vom Dienst in der Küche bis hin zur technischen Unterstützung der Referenten, inklusive Dolmetscher für meinen Onkel. Als es soweit war, standen wir alle gespannt an der Tür. Wir hatten mit etwa 70 Personen gerechnet. Doch die Zahl der Teilnehmer übertraf alle Erwartungen.
Der Abend wurde tatsächlich sehr schön: Freunde, Gäste und Referenten, alle waren erstaunt. Für meinen Onkel war es eine neue Begegnung. Aber auch wir, die wir die Erfahrung vom Meeting Point in Kampala kannten, begegneten erneut dieser Erfahrung der Nächstenliebe durch den beeindruckenden Bericht von Maria Groos.
Für mich war das eine einmalige Erfahrung. Ich hatte wohl schon mehrere Gelegenheiten, solche Werke der Nächstenliebe kennen zu lernen, aber während ich den Abend organisierte, die Freunde anspornte, mitzumachen und Bekannte einlud, wurde ich mir noch mehr bewusst, was es heißt, das Leben mit anderen zu teilen. Es wurde mir noch klarer, warum es sich lohnt, den anderen Menschen das Schöne und Interessante weiterzugeben, das ich in meinem Leben getroffen habe. Das gilt sowohl für die Menschen aus Uganda als auch für die Freunde, mit denen ich dieses Jahr in München den Alltag teilte.
Pietro, München