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Editorial
Die Aufgabe der Ferien
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In den Ferien liegt stets ein Aspekt von faszinierender Tragweite. Don Giussani hat oft daran erinnert, und zwar mit jener Formel, die gewohnte Schemata aufbricht und zugleich auf eine ungeahnte Verantwortung verweist: «Es ist die Zeit der Freiheit.» In dieser Zeit ist man frei von Zwängen und Pflichten. Doch in den Entscheidungen kommt unmerklich das zum Vorschein, was einem wirklich am Herzen liegt. Wer Spuren regelmäßig liest, weiß, dass wir diese Worte fast jeden Sommer wiederholen.
Doch diesmal verweist auch das Seminar der Gemeinschaft darauf. Am Anfang des Jahres begann es mit der Frage nach dem Glauben. Nun zu den Ferien geht es um den Begriff der Freiheit. Er ist ein Synonym für Befriedigung, Erfüllung der Wünsche, Beziehung zum Unendlichen. Und in der Erfahrung der Freiheit bewahrheitet sich wahrer Glauben. Sie ist ein unanfechtbarer «Test» für den Glauben. Denn eine solche Erfahrung kann nur aus der Anerkennung des gegenwärtigen Christus hervorgehen. Wohlgemerkt aus der Erfahrung, nicht aus einem Diskurs! Christus erklärt die Freiheit nicht, er bewirkt, dass sie sich in uns ereignet. Und wenn dies geschieht, kann man nicht umhin, es zu erfahren und mit ganzer Kraft einzuatmen.

Wenn dies aber der Fall ist, was bedeutet es dann, dass die Ferien die «Zeit der Freiheit» sind? Don Julián Carrón sagte einer Gruppe von Freunden, die ihn kurz vor dem Sommer besuchten, in einem leichten, aber doch ernsten Ton: «Die Ferien bestehen darin, dass man das Geheimnis wiederentdeckt, dass man Ihn wiederentdeckt, der unter uns wirkt. Die Aufgabe der Ferien besteht also darin, dass wir uns bei den nächsten Treffen im September Fakten und Dinge erzählen können, die uns passiert sind und uns zeigen, dass Er am Werk ist.»
Tatsachen, Dinge, die uns passiert sind. Denn um sich von seiner Gegenwart überraschen zu lassen, müssen wir nur dem gegenüber aufrichtig sein, was wir geschehen sehen: um uns und in uns. Es genügt anzuerkennen, dass Er wirkt. In der Wirklichkeit, nicht jenseits von ihr. Wenn jene unausdenkbare Entsprechung eintritt, wenn der Atem sich weitet, wenn wir jene Befriedigung erfahren, die nicht den bitteren Nachgeschmack der Desillusionierung hinterlässt, sondern den Geschmack einer zumindest anfänglichen Erfüllung, dann nehmen wir dies unvermeidlich wahr. Und je mehr die Freiheit sich ereignet, umso mehr ersehnen wir sie. Denn wenn wir erst einmal auf den Geschmack gekommen sind, ist er unwiderstehlich. Man muss sich Gewalt antun, um etwas anderes vorzuziehen. Man muss der eigenen Natur widersprechen, wenn man nicht darum bittet, dass Derjenige einem vertrauter - und Freund - wird, der diese Erfahrung ermöglicht, der sie geschehen lässt.

Der Lebensatem kommt stets von dort. «Ob ihr esst oder trinkt». In den Bergen mit den Freunden oder am Strand mit einem Buch in der Hand. Oder vielleicht, wenn man unter den Pavillons des Meeting kellnert, wo hunderte von Erwachsenen und Jugendlichen jeden Sommer - jede Ferien - jene überraschende Erfahrung der Freiheit machen, die möglich ist, wenn man die eigene Zeit für das Werk eines Anderen gibt. Der Lebensatem kommt von dort. Die Ferien sind eine Gelegenheit, sich dessen bewusst zu werden und sich immer mehr für Ihn zu entscheiden.