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Gesellschaft
Einsatz für das Wohl der Menschen
Bernhard Scholz

Den folgenden Brief hat der neue Präsident der Compagnia delle Opere (CDO, Gemeinschaft der Werke ) an deren Mitglieder gerichtet. Er stellt mehr dar als ein Programm dieses Verbandes, weil er eine Methode beschreibt, die für alle nützlich ist.

Liebe Freunde,
in den letzten Jahren konnte ich viele von Euch durch meine Arbeit für die Unternehmerschule der «Stiftung für Subsidiarität» kennen lernen. Ich habe dabei zahlreiche Unternehmen gesehen, vor allem aber viele Menschen, die am Werk sind: Menschen mit einem ernsthaften und klugen Interesse für das Wohl der Menschen, mit einer bis zur Opferbereitschaft reichenden Nächstenliebe, mit einem Sinn für die Schönheit als Zeichen für eine in allem gegenwärtige Positivität, mit einer Hoffnung schließlich, die es ermöglicht, auch dramatische Situationen mit einer überraschenden Selbstlosigkeit zu leben.

Auch die Mitarbeiter der CDO, die ich nach und nach kennen lerne, leisten ihren Dienst mit aufrichtiger Hingabe. Unsere Weggemeinschaft ist etwas Außergewöhnliches – reich an lebendiger Menschlichkeit, geprägt von Kreativität und Freiheit. Das gilt nicht nur für die in der Öffentlichkeit bekannten Werke, sondern auch für kleinere Werke und weniger bekannte Unternehmen.

Die CDO entwickelt sich in einer gegenseitigen Unterstützung, die die Person in den Mittelpunkt stellt, die Freiheit stärkt, die Verantwortlichkeit fördert und zum Gemeinwohl beiträgt. In dieser Erfahrung, die in einer beständigen und unermüdlichen ideellen Spannung zum Ausdruck kommt, besteht der gesellschaftliche Wert und die kulturelle Würde der CDO. Je mehr ein Werk die authentischen Bedürfnisse des Menschen zum Ausdruck bringt, umso mehr entsteht eine organische und wahrnehmbare Verbindung zwischen dem Wohl des Einzelnen, dem Wohl des Unternehmens und dem Wohl des Gemeinwesens. Die CDO bezeugt damit, dass die Beantwortung der eignen Bedürfnisse ein Beitrag zur Beantwortung der Bedürfnisse der Allgemeinheit sein kann.

In den kommenden Monaten will ich unsere «tätige Freundschaft» besser verstehen und unter uns ein Gespräch über die Gründe unserer Arbeit anregen, über die Sichtweisen und Perspektiven, die unsere Erfahrungen uns nahelegen. Beginnen werde ich mit den Organen, die die CDO in ihren verschiedenen Ausdrucksformen repräsentieren. Was uns «rettet» ist gewiss kein theoretisches Projektdenken; wir haben vielmehr die Verantwortung, angesichts sichtbarer Herausforderungen angemessenere Formen der gegenseitigen Unterstützung zu finden. Ohne das Ergebnis vorwegnehmen zu wollen, möchte ich drei Punkte nennen, die mir wichtig erscheinen und in denen ich auch mit meinen Vorgängern, Giorgio Vittadini und Raffaello Vignali, einig bin.

Erstens denke ich an den Einstieg junger Menschen in die Berufswelt. Zuerst einmal müssen alle Gelegenheiten zur Vermittlung von Arbeitsplätzen genutzt werden. Sodann braucht ein junger Mensch, der neu in ein Unternehmen oder ein Werk eintritt, nicht nur eine dauernde berufliche Weiterbildung, sondern auch eine Erziehung. Nicht mehr nur Familie und Schule befinden sich in einem erzieherischen Notstand, sondern zunehmend auch das Unternehmertum. Wir müssen Berufsanfängern die Möglichkeit geben, die Arbeit als eine Gelegenheit wahrzunehmen, nicht nur beruflich, sondern auch menschlich zu reifen. Wo so etwas gelingt, müssen wir uns dies mitteilen.

Meine zweite Sorge gilt der Vernetzung der Unternehmen. Innerhalb der CDO sind unter den Unternehmen viele Beziehungen entstanden, die sich in der Art des Zusammenschlusses, in der Zielsetzung und in der Größenordnung unterscheiden. Sie spiegeln gleichwohl das wahre Wesen unserer Vereinigung wider: Ein Ort, an dem die Mitglieder selbst die Initiative ergreifen, um gemeinsam zu arbeiten und etwas aufbauen. Diese Zusammenschlüsse sind originelle und wertvolle Neuheiten, die begleitet, unterstützt, beobachtet und verstanden sein wollen, damit sie Teil eines gemeinsamen Erfahrungsschatzes werden.

Zuletzt will ich die Notwendigkeit der Berufsausbildung und der Management-Weiterbildung hervorheben, sowohl für gewinnorientierte als auch für gemeinnützige Unternehmen. Gerade unser Ideal verlangt einen beständigen Einsatz beim Auffinden der besten Methoden und Werkzeuge für die Entwicklung dieser Unternehmen, um all dem, was aus unserem Erfindungsreichtum erwächst, Beständigkeit zu verleihen.

Von der Politik verlangen wir weiterhin den Schutz und die Unterstützung aller Initiativen, die von einzelnen Personen, von Vereinigungen und von Bewegungen in unserer Gesellschaft getragen werden. Wir raten allen, nicht formell, von sondern reell dem Subsidiaritätsprinzip zu gehorchen, das die Verbindung von Freiheit und Verantwortlichkeit fördert, aus dem die demokratische Gesellschaft entspringt. Wir können dabei auf Politiker bauen, denen dieses Thema am Herzen liegt, unter anderen auch auf unseren Freund, meinen Vorgänger Raffaello Vignali. Ihm danke ich für die großartige Arbeit, die er geleistet hat, vor allem dafür, die «Ehre des Unternehmertums» bekräftigt zu haben.

Dass am Ursprung unserer Freundschaft etwas Größeres steht, das ihr ihre Form verleiht und sie von Innen her prägt, wird gerade durch die Andersartigkeit unserer Werke bezeugt. Diese geistige Herkunft nicht nur als vergangene, sondern als gegenwärtig andauernde Schöpferkraft anzuerkennen, ist ein Akt der Vernunft. Die Tatsachen sprechen für sich.

Wir sind die Ersten, die von der Neuheit überrascht sind, die auf diese Weise inmitten unserer Grenzen, Fehler und Unzulänglichkeiten aufbricht. Der ganze menschliche und soziale Reichtum, der es uns ermöglicht in dieser schöpferischen und für alle offenen Dynamik zu leben, ist keineswegs selbstverständlich; es besteht sogar das Risiko, ihn in der alltäglichen Routine zu verlieren und entscheidenden Beweggründe zu vergessen.
Wir müssen also dem Ideal treu bleiben. Und das bedeutet, dass wir unserer Freundschaft treu bleiben müssen, denn in ihr zeigt sich der Grund, aus dem heraus die CDO entstanden ist: Damit alles existieren kann – und damit alles zum Wohle jedes Einzelnen beitragen kann. Das ist es, was uns auszeichnet, in jeder Hinsicht.
Aber was ist das «Wohl» eines jeden? Was ist das «Gemeinwohl»? Unsere Arbeit, unsere Werke und unsere Weggemeinschaft werden umso genauer auf diese Fragen antworten, je mehr sie sich am Charisma Luigi Giussanis ausrichten. Dieses Charisma, das heute durch Julián Carrón vergegenwärtigt wird, ist die immer neue Herkunft der CDO und diese Wahrheit können wir gerade in unserer Arbeit und unserer Freundschaft entdecken. Je mehr der Baum wächst, umso tiefere Wurzeln braucht er. Wenn also unsere Werke und die CDO immer weiter wachsen, ist es umso dringlicher, aus diesem Lebensquell zu schöpfen, und uns zugleich daran zu erinnern, dass die Früchte für alle da sind. Unsere Aktivitäten und Versuche werden in dem Maße bedeutsam und «anziehend», wie sie Ausdruck einer christlichen Erfahrung sind, die eine größere Menschlichkeit für alle ermöglicht.
Das diesjährige Meeting in Rimini trägt den Titel «Entweder Protagonist oder Niemand». In seiner ansprechenden Einfachheit bringt er den Sinn unseres gegenseitigen Dienstes zum Ausdruck: Wir wollen alles dafür tun, dass jeder, der uns begegnet, zum Protagonisten wird: Protagonist des eigenen Lebens, der eigenen Arbeit, des eigenen Unternehmens. Und je mehr jemand mit dieser Absicht arbeitet, desto mehr wird er selbst zum Protagonisten. Darin bestehen die Gegenseitigkeit unserer Weggemeinschaft und eine authentische Fähigkeit, alle anzunehmen und mit allen ins Gespräch zu kommen.
Ich bin zutiefst dankbar, dass ich mit Euch bei diesem großen und begeisternden Abenteuer zusammenarbeiten kann, das voller Herausforderungen steckt, aber vor allem durchdrungen ist von der Sehnsucht, durch den mühevollen Einsatz in der täglichen Arbeit neue Lebensformen zu verwirklichen.