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Thema - Papst Benedikt XVI. in den USA
Als Diener der Wahrheit erzieht er die Herzen der Menschen
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Mit seinem Besuch bei den Vereinten Nationen hat Benedikt XVI. eine Tradition weitergeführt, die Paul VI. 1965 begonnen hatte und Johannes Paul II. in den Jahren 1979 und 1995 fortsetzte. Die Botschaft von Papst Benedikt war inhaltlich sowohl traditionell als auch innovativ. Paolo Carozza erläutert, welche Grundideen der Papst in seiner Rede darlegte. Carozza ist Dozent für Rechtswissenschaften an der US-amerikanischen Notre Dame Universität und wurde vor kurzem zum Präsidenten der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte ernannt.

Warum schenkt der Papst der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte so große Beachtung?
Er setzt die Arbeit seines Vorgängers fort. Wie Johannes Paul II. so hat auch Benedikt, bereits als Kardinal ausführlich dargelegt, wie die Idee der Menschenrechte an die umfassende Würde der Person gebunden ist. Die Menschenrechte haben also nur in dem Maße einen Sinn, wenn man sich der Bedeutung der menschlichen Person bewusst ist. Der Grund, warum der Papst dieser Erklärung so große Beachtung schenkt, liegt darin, dass diese die Würde zum Ausdruck bringt, auf die sie sich bezieht.
In gewissem Sinn ist das Lob, das der Heilige Vater der Allgemeinen Erklärung geschenkt hat, allerdings geringer ausgefallen als bei Johannes Paul II.. Entsprechend irreführend war auch ein bestimmtes Verständnis seiner Rede vor der UNO durch die Medien. Dort hieß es nämlich, dass der Papst «mit aller Kraft die Menschenrechte bekräftigt hat». Das ist zutreffend und zugleich unzutreffend. Gewiss hat er die Menschenrechte gelobt. Er hat aber erläutert, wie die Erklärung auf der Idee der Einheit der menschlichen Person gründet. So warnte er auch, dass der Verlust der Idee von der Einheit und Integrität der Person zum Verlust der Idee der Menschenrechte führt.

In seiner Rede warnte der Papst vor eine Aushöhlung der Menschenrechte. «Wenn sie bloß in Begriffen der Gesetzlichkeit dargestellt werden, laufen Rechte Gefahr, zu schwachen Aussagen zu werden, die von der ethischen und rationalen Dimension losgelöst sind, die ihr Fundament und Ziel ist», so das Kirchenoberhaupt.
Das ist eine sehr reale Gefahr. Denn wenn die Bedeutung und Autorität der Menschenrechte allein auf formalem Handeln gesetzlicher Organe beruhen, besteht die Gefahr, dass ihnen eine solide Basis fehlt. Sie müssen aber Ausdruck dessen sein, was für eine gerechte Beziehung unter Individuen grundsätzlich erforderlich ist. Nur dann haben sie Autorität und können nicht manipuliert, missbraucht oder ignoriert werden. Geht es aber nur um eine Institution, die etwas bekräftigt, dann kann jede beliebige Sache ein Menschenrecht sein, jedes beliebige Verlangen, jedes beliebige Interesse: Alles wird von dem abhängig, der die Macht innehat. Das aber wäre Verrat an den ursprünglichen Idealen der Erklärung.

Der Papst sah den Ursprung der Idee der Menschenrechte im Denken des scholastischen Philosophen Francisco de Vitoria.
In der Tat, er sah bei de Vitoria die Verantwortung der öffentlichen Autoritäten für den Schutz des Gemeinwohls grundgelegt. Von der klassischen Idee des Naturrechts verteidigte er die umstrittene Idee der «Schutzverantwortung». Das heißt, der Schutz des Gemeinwohls muss Maßstab für die Legitimität des Eingreifens der Autorität sein. Die Idee geht also noch vor das Entstehen des modernen Nationalstaates zurück. Somit bekräftigt der Papst nicht nur die Legitimität dieses Prinzips. Er erinnerte auch daran, dass es sich um einen Grundsatz handelt, dessen Wahrheit die Kirche stets als richtig angesehen hat. Zugleich unterstrich er, dass sich die Autorität des Gesetzes und der Regierung aus dem Dienst am Gemeinwohl herleiten (...)
Mit seiner Rede brachte der Papst auch wieder die Rolle der Kirche in internationalen Fragen zum Ausdruck. Sie besteht darin, dass uns die Kirche in diesen Prinzipien der Wahrheit und Gerechtigkeit erzieht. Ferner kritisierte er die Vereinten Nationen und einzelne Akteure, weil sie in ihren Entscheidungen zu grundlegenden Fragen nicht das Gemeinwohl beachten.

Der Papst leitete aus der Schutzverantwortung auch eine moralische Pflicht zur Intervention in bestimmten Fällen ab: «Wenn sich herausstellt, dass die Staaten nicht in der Lage sind, einen solchen Schutz zu garantieren, steht es der internationalen Gemeinschaft zu, mit den von der Charta der Vereinten Nationen und anderen internationalen Übereinkommen vorgesehenen rechtlichen Mitteln einzugreifen», betonte er.
Das ist absolut richtig. Er relativiert radikal die Autorität und Souveränität der Nationalstaaten. Allerdings handelt es sich dabei nicht um etwas völlig Neues. Das Neue ist das Forum, auf dem die Kirche dies bekräftigte. Der Papst bezieht sich einfach auf das grundlegende Prinzip der Kirche über den Ursprung der Autorität. Die politische Autorität hat ihren Ursprung nicht im territorialen Faktor. Dies alles kommt am besten in der Idee der Subsidiarität zum Ausdruck. Der Papst bekräftigt also das Prinzip der Subsidiarität mit Blick auf den souveränen Nationalstaat. Auf bestimmten Handlungsebenen genießt ein Staat eine gewisse Autonomie. Wenn er aber nicht mehr in der Lage ist, sich um das Wohl und die Bedürfnisse der Bürger zu kümmern, die ihm die Legitimität übertragen, ist es die Pflicht der internationalen Gemeinschaft als Teil der Menschheitsfamilie einzugreifen, bis das Wohl umgesetzt wird.

Der Papst mahnte auch zur Achtung der Religionsfreiheit und beklagte, es sei «unbegreiflich, dass Gläubige einen Teil von sich – ihren Glauben – unterdrücken müssen, um aktive Bürger zu sein».
Hier ist es wichtig zu verstehen, dass «die Einheit der menschlichen Person» der Rote Faden der gesamten Rede ist. Der Papst verwendet diese Worte in unterschiedlichem Zusammenhang in seinem gesamten Beitrag. Er erklärt deutlich, wie eine derartige Einheit essenziell von der Öffnung zur Transzendenz hin garantiert wird, der Öffnung zu allen Dimensionen der Wirklichkeit und der Person. Dies ist der Grund, warum er die Religionsfreiheit in Bezug auf alle Aspekte des menschlichen Lebens, einschließlich der Politik unterstützt. Deshalb bedeutet eine Isolation der religiösen Dimension des Lebens eine Missachtung der Einheit der menschlichen Person. Diese Missachtung führt zur Korruption der Menschenrechte, wobei die internationalen Institutionen auf eine formale Rolle verkürzt werden. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass diese Einheit erkannt und geachtet wird. Und sie umfasst wesentlich die völlige Öffnung zu Gott hin.

Gibt es etwas, das in der Rede selbst nicht zitiert wurde, das uns aber helfen kann, den Besuch des Papstes bei den Vereinten Nationen zu verstehen?
Ich würde hier die Bedeutung der Konferenz für katholische Erzieher hervorheben, wo der Papst über die «Diakonie der Wahrheit» für die Menschlichkeit sprach. In einem gewissen Sinn hat das, was Benedikt bei den Vereinten Nationen tat, in sich diesen performativen Aspekt. Es geht also nicht nur um das, was er gesagt hat, sondern um die Tatsache, dass er es gesagt hat, ohne sich einzuschränken und gewisse Worte zu vermeiden. Was er tut, ist der Dienst der Diakonie an der Wahrheit. Das ermöglicht der Kirche, im Dienste der Menschlichkeit als Erzieherin des menschlichen Herzens tätig zu sein.