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Editorial
Zu Christus «Du» sagen
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Was bedeutet es, «zu Christus Du zu sagen»? Diese Frage beschäftigte die 26.000 Teilnehmer der diesjährigen Exerzitien der Fraternität von Comunione e Liberazione in Rimini, und all jene, die in 62 Ländern über Satellit den Exerzitien zugeschaltet waren. Mit Julián Carrón ging es darum, «den Sieg» zu entdecken, «der die Welt besiegt: unseren Glauben».
Bewegt verfolgten die Teilnehmer eine Videoaufzeichnung, die zeigte, wie sich Cleuza und Marcos Zerbini und 50.000 Mitglieder der Landlosen-Bewegung Sem Terra in Sao Paolo der Bewegung von CL anschlossen. Die Bilder belegten machtvoll das Wirken des Geheimnisses unter uns. Die Exerzitien vertieften aber auch das Verständnis der Vernunft, die ihre höchste Entfaltung erreicht, wenn sie zur Aussage gelangt: «Nur du hast Worte, die das Leben erklären». Mit diesen Worten anerkennt sie die Gegenwart des Geheimnisses und erfasst die ganze Wirklichkeit, auch uns selbst. Im Staunen weitet sich zugleich die Hoffnung. Ihre Erfüllung liegt aber nicht in der Menschlichkeit einer Weggemeinschaft, die wir gleichwohl Tag für Tag erleben dürfen. Sie erfüllt sich allein im einzigartigen, unverwechselbaren Antlitz des Herrn. So wird jenes DU hörbar, das Raum und Zeit durchdringt und beherrscht. Und selbst ein einfacher Zettel, auf dem ein DU geschrieben steht – wie ihn Don Giussani einst in einem Haus der Memores Domini in Madrid entdeckte –, kann uns machtvoll an diese Gegenwart erinnern.

«Was heißt es, „Du zu sagen zu Christus“?» Diese Frage ist so entwaffnend einfach wie faszinierend. Dass sie unter uns so oft gestellt wird, offenbart unsere Schwäche, den Dualismus und die Hartnäckigkeit, mit der wir uns Christus als etwas vorstellen, das außerhalb der Wirklichkeit angesiedelt ist; etwas, dessen Form und Antlitz wir uns vorstellen müssen. Käme uns aber je in den Sinn, uns zu fragen, was es heißt «Du zu sagen zu Frau und Kindern»? Die Häufigkeit der Frage offenbart aber auch unsere Stärke: die Entdeckung einer neuen Perspektive. Sie eröffnet die Möglichkeit einer Vertrautheit mit dem Geheimnis, die nicht auf unserer Initiative beruht, sondern auf der leidenschaftlichen Ausdauer, mit der es in unser Leben tritt und uns begleitet, uns Zeitgenosse ist. Das Geheimnis tritt uns im geduldigen Lächeln dessen entgegen, der darauf wartet, dass auch uns ein Lächeln auf die Lippen kommt, dass unsere Anerkennung aufblüht und mit ihr unsere Menschlichkeit. Als Blüte der Gnade einer Vernunft, die sich in ihrer ganzen Dynamik entfaltet und der man in Freiheit anhängt. Das ist der Glaube, wie ihn Carrón mit Giussani beschreibt.

Gewiss, damit diese Blume blüht, bedarf es einer Arbeit. Hierfür gibt es das Seminar der Gemeinschaft, den Text der Exerzitien und die vielen Hilfsmittel im Laufe des Tages. Doch auch das ist Gnade. Was uns gegeben ist, fordert beständig unsere Freiheit heraus. Man braucht sich dafür nichts vorzustellen. Man muss nur folgen und dabei beginnen, «Du» zu sagen.