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Osterplakat 2008
Das Geheimnis Christi und seines Menschseins
Cristina Terzaghi

Roberto Longhi, der geniale italienische Kunsthistoriker, beschreibt den hohen Stellenwert der Gefangennahme Christi innerhalb der menschlichen und künstlerischen Entwicklung Caravaggios mit meisterhaften Worten: „In der Gefangennahme Christi klärte Caravaggio sein gepeinigtes und zugleich unerschrockenes Genie. Dort nämlich, wo das antike Zitat des Mantels gleichsam in einem Diptychon den Kopf von Christus und Judas überfängt und die von der schwankenden Laterne erhellte Gruppe der Soldaten wie ein Kelch aus dunklem Glas innerhalb des nächtlichen Schreckens einen Sprung zu bekommen scheint.“
Für die Sammlung der Brüder Mattei gegen Ende des Jahres 1602 entstanden, zeigt das Gemälde eine bisher unveröffentlichte Figur von Christus. Seine Hände sind, gleichsam als Zeichen der Übergabe, verschränkt und kontrastieren lebhaft zur vorherrschenden Hand des Judas, der den Meister in einer ungestümen Umarmung packt. Die tiefe Beziehung des Kardinals Girolamo Matteo, dem das Werk offenbar zugedacht war, zu den Franziskaner-Minoriten scheint durch die Hervorhebung des Gehorsams Christi bestätigt zu werden. Denn dieses Thema lag der Spiritualität des Ordens sehr am Herzen. Die Tragik des Geschehens wird meisterhaft durch die Gestalt des jungen Mannes verkörpert, der hinter der Schulter Christi schreiend und mit erhobenen Händen flieht. Das Evangelium nach Matthäus erzählt in der Tat, dass ein junger Mann, nur von einem Mantel umhüllt, von Schrecken gepackt aus dem Garten Gethsemane floh, während die Wachen noch versuchten, ihn am Gewand festzuhalten.
Aber Caravaggio gibt sich nicht damit zufrieden, den Betrachter auf die Schiene des Grauens zu setzen, vielmehr erzählt er auch etwas von sich. Der junge Mann rechts im Bild auf Zehenspitzen, der mit erhobenem Arm die Laterne hält, um mit allen Mitteln Licht auf die Szene zu werfen, stellt in der Tat ein Selbstporträt des Künstlers dar. Er hat sich nicht zufällig inmitten der Wachen, die Christus gefangen nehmen wollen, dargestellt. Die Gestalt Caravaggios mit der Laterne in der Hand erinnert in besonderer Weise an Darstellungen des Philosophen Diogenes, der auf der Suche nach sich selbst mit einer Lampe dargestellt wurde. Caravaggio ist hier also total darauf ausgespannt, gleichzeitig das Geheimnis Christi und das seines eigenen Menschseins zu enthüllen.