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Nach der Bischofssynode
Brief an die Fraternität
Julián Carrón

Liebe Freunde,

die Teilnahme an der Bischofssynode, die wie ihr wisst unter dem Titel „Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“ stand, hat mir unsere Verantwortung in Kirche und Welt noch bewusster gemacht. Das gilt vor allem aufgrund des Ergebnisses der synodalen Arbeit: dass nämlich das Wort Gottes ein „Ereignis“ ist, Jesus Christus, der in der Geschichte durch das Leben der Kirche weiterhin gegenwärtig ist. Daher ermöglicht uns die Beziehung zur lebendigen Tradition in der Kirche, dass wir uns in die Neuheit hineinversetzen können, die vom biblischen Text bezeugt wird. So können wir dieselbe Erfahrung machen, wie die, die auf Christus trafen. Auf diese Weise können alle Menschen, wie der Papst zu Beginn der Synode sagte: „die Gegenwart in der Vergangenheit, den Heiligen Geist, der heute in den Worten der Vergangenheit zu uns spricht”, entdecken. Das Nachsynodale Apostolische Schreiben wird ein Wegweiser für unseren Glauben sein, und als solchen erwarten wir ihn.
Durch das Wirken des Geistes in seiner Heiligen Kirche, werden wir alle zu einem vertieften Bewusstsein gedrängt. Dass mich Benedikt XVI. zu einem Synode-Teilnehmer ernannt hat, habe ich als Zeichen der Wertschätzung unserer Bewegung verstanden, vor allem aber als Aufruf, unseren Beitrag zum Leben der Kirche zu geben. Dieser Aufruf wurde durch die Wahl zum ‚Relator‘ bekräftigt. Dies bedeutete, Sprecher für die spanischsprachige Gruppe zu sein, und hatte zur Folge, dass ich noch mehr in die synodale Arbeit einbezogen war, indem ich direkt mit dem Generalrelator zusammen gearbeitet habe, als es darum ging, den abschließenden Vorlagen Gestalt zu geben. Viele sind in diesen gemeinsam verbrachten Tagen aus Interesse oder Sympathie für unsere Erfahrung auf mich zugekommen.
All das hat in mir den Wunsch geweckt, Euch zu schreiben, um diese Erfahrung, die auch Euch betrifft, mit Euch zu teilen. Und es hat mich dazu gedrängt, unsere Geschichte neu zu lesen, um den Schritt zu verstehen, der meines Erachtens von uns gefordert ist. In unserer Geschichte sehe ich sehr grob gesprochen drei Phasen:
1. Phase: der Anfang. Die Entstehung der Bewegung kann als Dynamik beschrieben werden, die sich immer vollzieht, wenn der Heilige Geist in der Geschichte zum Wohl der ganzen Kirche ein Charisma erweckt. Wie jede Initiative des Geistes wurde auch unser Charisma teilweise mit Unverständnis und sogar Feindseligkeit aufgenommen, da es sich nicht auf bestehende Schemata zurückführen ließ. Aber die Mühsal jener Jahre ist nicht nur auf den natürlichen Widerstand zurückzuführen, auf den der Geist immer stößt. Sie war auch unserer Unreife geschuldet, die wir nur dank der Erziehung von Don Giussani berichtigen und überwinden konnten. Die Geduld der Kirche uns gegenüber war ein Zeichen ihrer Mutterschaft.
2. Phase: die Anerkennung. Das Ende des Pontifikats von Paul VI. und das Pontifikat von Johannes Paul II. bedeuteten für unsere Bewegung die maßgebende Anerkennung und volle Aufnahme in das Leben der Kirche, deren unvergesslicher Ausdruck das Treffen am 24. März 2007 auf dem Petersplatz mit Benedikt XVI. bleibt. Eine weitere Bestätigung dafür finden wir in den Zeichen der Wertschätzung und des Interesses, die viele bei der Synode gezeigt haben. Aus diesem Grund sind wir dazu angehalten, das Bewusstsein, das wir von unserer Erfahrung haben, weiter zu vertiefen.
3. Phase: das Charisma für die Kirche und für die Welt. Wir sind heute dazu angehalten, uns des Zieles bewusst zu werden, aufgrund dessen der Geist Don Giussani ein Charisma gegeben hat. Dieses Ziel besteht darin, zusammen mit allen Getauften, an dem Aufbau und der Erneuerung der Kirche mitzuwirken zum Wohl der Welt. Gemäß seiner Methode schenkt Gott einem einzigen die Gnade, damit sie durch ihn alle anderen erreicht. Wir wären der Natur unseres Charismas untreu, wenn wir die empfangene Gabe nicht mit allen innerhalb und außerhalb der Kirche teilen würden. Darum muss jeder einzelne innerhalb seiner Umstände prüfen, wie er zum Wohl der Kirche beitragen kann. Es gibt zahlreiche Bereiche, innerhalb derer viele von uns bereits mit einer staunenswerten Freiheit und Kühnheit Christus bezeugen. Unsere Präsenz an den Orten, wo sich das Leben der Menschen abspielt, soll nicht weniger werden. Gleichzeitig werden wir manchmal gebeten, auch innerhalb der Kirche mitzuarbeiten. Viele von Euch leisten diesen Beitrag seit langem, sei es als Katecheten in den Gemeinden, oder durch die Caritativa und andere Formen der Mitarbeit, und wir müssen uns dort, wo unsere Präsenz gefragt und angenommen wird, noch weiter verfügbar halten. Sicherlich kann dieser Beitrag nur gemäß der Natur unseres Charismas erfolgen, das in der Form des Zeugnisses seinen vollkommenen Ausdruck findet.
Ich bin überzeugt, dass dieser Schritt, den der Heilige Geist fordert, uns immer mehr in das Herz des Geheimnisses Christi hineintragen wird, so dass wir Ihn überall bezeugen können, auch durch unsere Zerbrechlichkeit hindurch.
Geeint im Abenteuer,

Don Julián Carrón