Logo Tracce


Der Fall Eluana
Barmherzigkeit oder Gewalt?
Gemeinschaft und Befreiung

Comunione e Liberazione hat zum Fall der 37-jährigen italienischen Komapatientin Eluana Englaro folgendes Flugblatt veröffentlicht. Ein italienisches Berufungsgericht hatte überraschend der Forderung zugestimmt, die künstliche Ernährung der Patientin, die seit einem Autounfall 1992 bewusstlos ist, einzustellen.

„Den Sinn der Mühen zu verstehen, ist das Höchste im Leben. Denn der größte Widerspruch zum Leben ist der Tod. Und der größte Einwand gegenüber dem Leben sind die Mühen. Der größte Einwand gegenüber der Freude sind die Opfer… Das größte Opfer ist der Tod.“ (Don Giussani)
In welcher Gesellschaft leben wir, die das Leben als „Hölle“ und den Tod als „Befreiung“ bezeichnet? Wie kommt eine solche Verwirrung der Vernunft zustande, dass sie Gut und Böser vertauscht und die Dinge nicht mehr bei ihrem wahren Namen nennt?
Die angekündigte Einstellung der Ernährung von Eluana ist eine gezielte Tötung. Die Entscheidung wiegt umso schwerer, als dass sie denen, die um sie Sorgen und bereit sind, dies weiter zu tun, untersagt, ihrem Werk der Barmherzigkeit nachzukommen.
In der langen Geschichte der Medizin gab es den größten Fortschritt, als sie in christlicher Zeit begann, sich um die „Unheilbaren“ zu kümmern. Die Zuvor hatte sie die Gesellschaft aus der Gemeinschaft der „Gesunden“ ausgestoßen und vor den Stadtmauern sterben lassen oder sogar umgebracht. Wer sich um sie kümmerte, setzte sein eigenes Leben aufs Spiel. Deshalb begannen jene, die sich um die Unheilbaren sorgten, ihr Werk aus einem Grund, der machtvoller war, als das Leben selbst: Eine Leidenschaft für die Bestimmung des anderen Menschen, weil der Mensch als Ebenbild des Schöpfergottes einen unendlichen Wert besitzt.
Das Fall von Eluana stellt uns vor die erste Einsicht, die in unserem eigenen Leben sichtbar wird: Wir geben uns das Leben nicht selbst. Wir sind von einem anderen gewollt. Dies ist eine notwendige Einsicht für alle, die als Vernunftbegabt nach einem Sinn suchen. Jemand hat uns dem Nichts entrissen und uns gesagt: „Sogar die Haare auf deinem Haupt sind gezählt.“
Diese Einsicht zurückzuweisen bedeutet früher oder später, die ganze Wirklichkeit zurückzuweisen. Selbst wenn diese Wirklichkeit das Antlitz der Personen hat, die wir lieben.
Deshalb ist es auch kein „frommer“ Zusatz der Gläubigen, wenn man Den anerkennt, der uns die Gegenwart von Eluana schenkt. Es ist einen notwendige Einsicht dessen, der als Vernunftbegabt nach einem Sinn sucht.
Ohne diese Anerkennung wird es unmöglich, Eluana anzunehmen und das Opfer auf sich zu nehmen, sie zu begleiten. Im Gegenteil, es wird allererst möglich, sie umzubringen und dies mit vor dem Gewissen mit einem Werk der Barmherzigkeit zu verwechseln.
Das Christentum ist aus der Leidenschaft für den Menschen entstanden: Gott ist Mensch geworden, um auf die dramatische Bedürftigkeit des Menschen zu antworten. Diese Bedürftigkeit nimmt jeder Mensch wahr, gleich ob er gläubig oder nichtgläubig ist. Christus hatte ein solches erbarmen mit unserer Nichtigkeit, dass er sein Leben hingab, um den unendlichen Wert eines jeden von uns zu bejahen, gleich in welchen Umständen er lebt.
Wir brauchen Ihn, um wir selbst sein zu können. Und wir brauchen eine Erziehung, um Ihn anzuerkennen - um zu leben.

Gemeinschaft und Befreiung
November 2008