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Das paulinische Jahr / Ausstellung
2000 Jahre danach. Paulus geht erneut auf Reisen
Giuseppe Frangi

Seit einigen Monaten ist eine Wanderausstellung über den Völkerapostel in verschiedenen italienischen Städten zu sehen. Und sie wird bald auch in Jerusalem gezeigt. Sie berichtet über das, was ihn drängte, Christus in aller Welt zu verkünden

Das Titelbild des Ausstellungskatalogs „Nomade“ (diese Ausstellung hat die italienische Bischofskonferenz in Erinnerung an die 200 Jahre seit der Geburt des heiligen Paulus erstellen lassen) zeigt das in jeder Hinsicht beeindruckendste Bild des heiligen Paulus. Es handelt sich um ein Detail der Bekehrung des Saulus, das Caravaggio für die Capella Cerasi der Kirche Santa Maria del Popolo gemalt hat. Es war nicht das erste Mal, dass sich Caravaggio diesem Thema stellte. Für dieselbe Kapelle hatte er ein ähnliches Bild geschaffen, das heute zur Sammlung Odeschalchi in Rom gehört. Lange Zeit hatte man geglaubt, dass die Auftraggeber diese Bild zurückgewiesen hätten. Wie dagegen die Studien von Luigi Spazzaferro gezeigt haben, war es Caravaggio selbst, der sich noch einmal neu daran machen wollte.
Im ersten Bild hält sich der vom Pferd gestürzte Paulus die Hände vors Gesicht, während man vom Himmel her Jesus sieht, der von einem Engel gestützt wird. Diese Szene betont in ihrem fast anekdotischen Realismus weniger das Wunder der Berufung als die Verwirrung des Paulus in jenem Moment. Die zweite Fassung gestaltet Caravaggio noch einmal ganz neu und dringt direkt zum Herz des Ereignisses vor. Und so zeigt es das Gesicht des vom Pferd gestürzten Paulus strahlend vor Licht. Seine Arme sind weit ausgestreckt, mehr noch wie in einer gleichsam unvermeidlichen Umarmung weit ausgespannt. Den Katalogrücken ziert entsprechend die offene Hand, die das zu erlangen sucht, was in einer der Sektionen dieser Ausstellung „die unvorhersehbare Initiative Gottes“ genannt wird. Auf dem Antlitz dieses Paulus von Caravaggio lesen wir ein vollkommenes, entschiedenes Glück. Als Bildunterschrift könnten wir folgende Worte von Hans Urs von Balthasar anführen, die auf Seite 114 des Katalogs zitiert werden: «Man kann Paulus nicht begreifen, wenn man sich nicht vom dem überzeugen lässt, der in Damaskus die Schönheit schlechthin geschaut hat, - so wie sie die Propheten in den Visionen ihrer Berufung schauten, - so dass er alles verkaufen konnte, um die einmalige Perle zu besitzen».
Wie ich schon andeutete, handelt es sich bei diesem Katalog um den einer Ausstellung, die nicht nur deswegen entstanden ist, um den heiligen Paulus zu feiern, sondern um den Gläubigen und allen anderen Menschen heute seine faszinierende Geschichte wieder vorzuschlagen. So schreibt Pater Pierbattista Pizzaballa, der Kustos des Heiligen Landes, in der Einführung: «Dieses grandiose kulturelle Projekt verbindet in intelligenter Weise Bilder mit Texten der Heiligen Schrift sowie Kommentare antiker Autoren und zeitgenössischer Bibelforscher und hilft uns dabei, das Gedächtnis zu bewahren, das die frühe missionarische Kirche hatte».
Die Ausstellung, die bald auch im Christian Information Center in Jerusalem gezeigt werden wird, gliedert sich in zwei Sektionen. Die erste zeigt das faszinierende Leben des Paulus beginnend bei seinen Ursprüngen in Tarsus, „der Stadt ohne Bedeutung“, wo er zwischen 7 und 10 nach Christus geboren wurde. Als Sohn eines Juden, der das römische Bürgerrecht erhalten hatte, wurde Paulus zu einem fanatischen Christenverfolger. Im Jahr 36, wie er dann später in der Apostelgeschichte (24,10) bekennt, hatte er auch das Gelübde abgelegt, die Heiligen zu Tode zu bringen, zu denen auch der Diakon Stephanus gehörte.
Das Bild von Annibale Carraccci, das an dieses Martyrium erinnern soll, ist außerordentlich emblematisch: Auf der einen Seite sehen wir Stephanus, der sich auf Knien darauf vorbereitet, die Krone der Märtyrer zu erlangen. Auf der gegenüberliegenden Seite sehen wir Paulus auf einem Stuhl, wie er die Vollstrecker dabei antreibt, die Steinigung des Diakons durchzuführen. Zu seinen Füßen sieht man die Mäntel, von denen die Apostelgeschichte erzählt: «Und die Zeugen legten ihre Mäntel zu Füßen eines jungen Mannes, der Saulus hieß».
Die Ausstellung zeigt dann alle Lebensetappen dieses unermüdlichen Apostels. Jede Etappe wird durch Bilder der betreffenden Orte untermalt, die auch heute noch die Phantasie anregen. Die drei Missionsreisen werden klar voneinander getrennt einerseits prägnant, aber zugleich auch sehr anschaulich erzählt. Dasselbe gilt für Paulus’ Ankunft in Rom, seine Gefangenschaft in der „privilegierten“ Form des Hausarrestes und das Martyrium bei den Tre Fontane.
Im zweiten Teil der Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der Priesterbruderschaft vom Heiligen Karl Borromäus erstellt wurde, geht es dann um die Aktualität des Paulus heute, die Anziehungskraft, die seine Gestalt und sein menschliches Abenteuer auf den Menschen von heute ausüben. Dabei tritt der Eifer des heiligen Paulus zutage – auch dank der Bildauswahl von Sandro Chierici, von Gemälden und anderen bedeutenden Werken –, dieses sein unaufhörlich Ausgespanntsein auf das hin, was ihn erobert hat, seine unvorstellbare Freiheit: «„Alles ist mir erlaubt!“ Aber nicht alles nützt mir. „Alles ist mir erlaubt!“. Ja, aber ich werde mich von nichts dominieren lassen» (1 Kor 6,12). Klar, dass eine solche Persönlichkeit die Vorstellungskraft aller großen Künstler fasziniert und sie gewissermaßen herausgefordert hat, ihr Bestes zu geben.
Das war, wie wir gesehen haben, der Fall bei Caravaggio. Aber das gilt nicht minder für den anonymen Mosaikkünstler von Monreale, der bei der Darstellung der Begegnung zwischen Paulus und Petrus eines der leidenschaftlichsten Bilder über Freundschaft geschaffen hat. Und dann ist da der eifernde Paulus von Raphael in einer Zeichnung für die Wandteppiche im Vatikan. In Athen hebt er während einer Predigt die Arme, als wolle er dadurch seinen Worten größeres Gewicht geben. Und dann ist da der monumentale schon ältere Paulus von Velazquez. In seinen Gesichtszügen sieht man den Eiferer von jeher und liest darin auch seine Gewissheit im Glauben, die ihm Bestand gibt. Wir sind inzwischen schon weit entfernt vom Prototyp eines Bildes des heiligen Paulus, das mit dem länglichen, von einem Bart eingerahmten Gesicht, das der Sarkophag eines Kindes namens Asellus zeigt, der in den Vatikanischen Museen zu sehen ist. Jahrhunderte lang hatte man an diesem Prototyp fest gehalten, wobei Paulus’ Glatzköpfigkeit mehr hervorgehoben wurde, wenn die Szenen den Apostel in seinen späteren Jahren zeigten. Und man hielt sich an die Tradition, nach der Paulus von seiner Statur eher ein ausgemergelter Typ war, weil er wahrscheinlich an einem Magenleiden litt, wie er im Zweiten Brief an die Korinther andeutet (wo er von einem „Stachel im Fleisch“ spricht).
In dieser zweiten Sektion entdecken wir unter anderem eines der überraschendsten Bilder der ganzen Ausstellung: es ist das romanische Kapitell der Kirche Sainte Madeleine in Vézélay, das die mystische Mühle darstellt. Der Schlüssel zu diesem Bild findet sich auf einer Schriftrolle, die eine Statue des heiligen Paulus auf der Fassade der Kirche Saint-Trophime in Arles in Händen hält. Auf dieser Schriftrolle heißt es: «Das, was das Gesetz des Mose verbarg, wird durch das Wort des Paulus offenbart: Jetzt wird das Korn, das uns auf dem Sinai geschenkt wurde, von ihm gemahlen und es wird zu Mehl.»
Es seien hier aber auch noch zwei andere Sektionen des Katalogs angesprochen. Da ist zum einen das wunderschöne Interview mit Marta Sordi. Dieses Gespräch zeichnet sich durch seine extreme Einfachheit und Klarheit aus, aber auch dadurch, dass es den für eine Historikerin typischen Blick aufweist, der nichts außer acht lässt. Sordi verzichtet vollkommen auf jede Übertreibung oder rhetorische Floskel und setzt, Steinchen um Steinchen, das Mosaik des Lebens des heiligen Paulus in seiner wahrscheinlichsten Version zusammen, wobei sie überzeugend die traditionelle Chronologie aufgreift.
Dann ist da noch die wunderbare Sammlung der Beiträge von Benedikt XVI., die dem Heiligen Paulus gewidmet sind. Darunter findet sich auch der vom 28. Juni 2007, in dem der Papst ein interessantes Detail betont, wenn man die Gestalt des Paulus bis ins Letzte verstehen möchte. Der Papst sagt, dass Paulus mitnichten ein geschickter Rhetoriker war, «im Gegenteil: was er mit Mose und Jeremia gemein hatte, war gerade, dass ihm jegliches rhetorisches Talent fehlte. „Sein Auftreten als Person ist matt und seine Wort sind armselig“ (2 Kor 10,10), sagten seine Gegner von ihm». Wie ist dann der Erfolg, den seine Predigten hatten, zu erklären? Darauf antwortet der Papst folgendermaßen: «Er rührt nicht von raffinierten Strategien, wie Leute überzeugt werden ... Der Erfolg seines Apostolats ist vor allem darin begründet, dass er sich persönlich auf die Verkündigung des Evangeliums eingelassen hat, und zwar aus einer vollkommenen Hingabe an Christus heraus, einer Hingabe, die keine Risiken gefürchtet hat, keine Schwierigkeiten und keine Verfolgung».
Mehr als die Kraft vermochte bei Paulus die Hingabe.