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Synode / das Wort Gottes, das Fleisch geworden ist...
«Der Mittelpunkt unseres Glaubens ist kein Buch, sondern Christus, das Wort Gottes, das Fleisch, Mensch, Geschichte geworden ist»
Riccardo Piol

Mehr als 250 Synodenväter kamen aus aller Welt um für 20 Tage gemeinsam zu arbeiten. Papst Benedikt XVI. sprach von einer Polyphonie des Glaubens. Sie ist eine Hilfe, um der Beziehung zu einem Faktum auf den Grund zu gehen, das hier und jetzt gegenwärtig ist.

«Ich weiß nicht, ob die Synode eher interessant oder eher erbaulich war. Auf jeden Fall war sie bewegend». So dankte der Papst den Teilnehmern der Bischofsversammlung am Ende der Arbeit. Selten wie bei dieser Gelegenheit zeigte die Synode die universale Dimension der Kirche. Die Zahlen sprechen für sich: über 250 Teilnehmer aus fünf Kontinenten; 51 aus Afrika, 62 aus Amerika, 41 aus Asien, 90 aus Europa und 9 aus Ozeanien. Aber die Statistik allein kann die Atmosphäre nicht erklären, die, nach Ansicht vieler, die 20 Arbeitstage in bisher unbekannter Weise gekennzeichnet hat. Benedikt XVI. hat es so erklärt: «Wir haben gesehen, dass keine Meditation und keine wissenschaftliche Reflexion aus sich heraus dem Wort all diese Reichtümer und Potentiale entnehmen können, die man erst in der Lebensgeschichte eines jeden entdeckt». Die Synodenväter waren eingeladen, über das Thema «Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche» zu reflektieren. Die Beiträge waren solche von Glaubenszeugen, welche die Erfahrungen, Fragen und Sorgen der verschiedenen ihnen anvertrauten Gemeinden rund um den Globus nach Rom getragen hatten. «Eine schöne Polyphonie des Glaubens“ nennt es der Papst, der versucht hat, zu dokumentieren, dass «in der Auseinandersetzung mit der täglichen Realität [...] der Sinn des Wortes Gottes, das uns in der Heiligen Schrift gegeben ist », sich in neuer Weise eröffnet.

Dem Thema nach hätte sich die 12. Generalversammlung der Bischofssynode hätte auch in akademischen Diskursen für Spezialisten verlieren können. Doch kam bei dieser Gelegenheit das zum Vorschein, was sich der Papst zu Beginn der Arbeit gewünscht hatte: ein neuer Realismus. Während in der ganzen Welt die ersten gewaltigen Signale der Finanzkrise erschienen, eröffnete Benedikt XVI. die Arbeit der Versammlung. Dabei erinnerte er daran, dass der Mensch dazu berufen ist, zu entscheiden, ob er sein Leben auf „Sand“ bauen möchte, also «auf die sichtbaren und greifbaren Dinge, auf den Erfolg, die Karriere, das Geld», oder auf den „Felsen“ des Wortes Gottes. «Realist ist der, der im Wort Gottes, dieser scheinbar so gebrechlichen Realität, das Fundament von allem erkennt. Realist ist derjenige, der sein Leben auf dieses Fundament baut, das ewig bleibt.» Das war am 6. Oktober. Damals kamen wenige Beobachter über die Feststellung hinaus, dass der Papst das Geld als „Nichts“ bezeichnet hatte. Aber mit seiner viertelstündigen, frei vorgetragenen Auslegung von Psalm 118 hatte Benedikt XVI. eine klare Botschaft sowohl an die in der Aula versammelten Bischöfe als auch die von der globalen Finanzkrise gebeutelte Welt gesandt. Die Synode, die sich mit dem Wort Gottes befasst, konnte nicht einfach über die Heilige Schrift diskutieren. Es konnte auch nicht eine Wiederholung des christlichen Diskurses sein, der oft auf eine spirituelle Flucht verkürzt wird. Das Wort ist das Ereignis Gottes in seiner Gesamtheit, es ist der reale Ausdruck des Geheimnisses, welches dem Menschen begegnet. Es ist Gott selbst, der sein Wort an den Menschen richtet. Die gesamte Schöpfung [ist] dazu bestimmt, den Ort der Begegnung zwischen Gott und seinem Geschöpf zu schaffen, einen Ort, wo die Liebe des Geschöpfes auf die göttliche Liebe antwortet, einen Ort, an dem sich die Liebesgeschichte zwischen Gott und seinem Geschöpf entwickelt.« Die materielle Wirklichkeit, so der Papst, ist „die Bedingung für die Heilsgeschichte», zu der der Mensch zu jeder Zeit von Gott gerufen ist.

«Das Wort Gottes geht also der Bibel voraus und über die Bibel hinaus, die auch von Gott inspiriert» ist und das wirkende göttliche Wort enthält (vgl. 2 Tim 3, 16). Und aus diesem Grund steht im Mittelpunkt unseres Glaubens nicht nur ein Buch, sondern eine Geschichte der Erlösung und [...] eine Person, Jesus Christus, Gottes Wort, das Fleisch, Mensch, Geschichte geworden ist». Die Abschlusserklärung der Synode versäumt nicht auf ein Thema hinzuweisen, das vorher ausgiebig erörtert wurde: „Wort Gottes“ ist nicht gleichbedeutend mit „Heilige Schrift“. Dies wird auch klar in den 53 abschließenden Propositionen gesagt, den die Väter dem Papst übergaben. Benedikt hat eine Zusammenfassung davon veröffentlichen lassen (man vergleiche beispielsweise Nr. 3 über die Analogie des Wortes Gottes: «Der Ausdruck ‘Wort Gottes’ ist analog. Er bezieht sich vor allem auf das Wort Gottes in Person, welches der Eingeborene Sohn Gottes ist, geboren aus dem Vater vor aller Zeit, fleischgewordenes Wort des Vaters (vgl. Joh 1,14). Das göttliche Wort, welches schon in der Schöpfung des Universums und in besonderer Weise im Menschen gegenwärtig ist, hat sich durch die Heilsgeschichte hindurch geoffenbart und ist durch die Schriften im Alten und Neuen Testament bezeugt. Dieses Wort Gottes übersteigt die Heilige Schrift, auch wenn sie es in besonderer Weise enthält...»).

Die große Gefahr
Bei der Diskussion über den Wert der Bibel, ihre Wichtigkeit und ihr Studium kam es auf der Bischofsversammlung zu zahlreichen Verlautbarungen. Es steht unzweifelhaft fest, dass die Bibel ein zwar weit verbreitetes, aber nur wenig gelesenes Buch ist, erst recht bei Katholiken. Dies war mit ein Grund, warum die Frage, wie man sie lesen und ihren Inhalt bekannt machen soll, zu den meistdiskutierten Punkten gehörte. Lesen in Gemeinschaft, Aktualisierung des Textes, kritische Überarbeitung und Vertiefung: Die Synodenväter kamen in ihren Verlautbarungen unter anderem immer wieder auf diese Themen zu sprechen. Und dabei zeigte sich oft das Vorhandensein einer Dialektik zwischen Exegese und Theologie, eines Dualismus’ zwischen Textanalyse und glaubendem Lesen. Da ergriff mitten in der öffentlichen Diskussion in der Aula Benedikt XVI das Wort. Um zwei Grundgedanken zu erläutern: «Die Heilsgeschichte ist nicht Mythologie, sondern wahre Geschichte, und so soll sie mit den Methoden der wissenschaftlichen Geschichtsforschung untersucht werden». Ohne den Glauben jedoch, ohne die Betrachtung gestützt auf die Anerkennung der realen Gegenwart Gottes, «wird die Bibel lediglich ein Buch aus der Vergangenheit. Man kann daraus zwar moralische Schlüsse ziehen, man kann die Geschichte lernen, doch das Buch an sich spricht nur von der Vergangenheit». Die Trennung von Theologie und Exegese, die Entgegenstellung von Textstudium und glaubender Lesung führt zu jener „großen Gefahr“, die schon seit einiger Zeit die Einheit der Kirche in ihren Grundfesten bedroht. Kardinal Ouellet, Erzbischof von Québec und Generalsekretär der Synode, sprach in diesem Zusammenhang von einem «Konflikt zwischen Glauben und Vernunft». In seiner Einführung zu den Arbeiten hielt er fest, dass «man nie genug auf diesen Punkt hinweisen kann, denn die Krise der Exegese und der theologischen Hermeneutik erschüttert das spirituelle Leben des Volkes Gottes und sein Vertrauen in die Heilige Schrift zutiefst». Die Abspaltung der Exegese von der Theologie, der Vernunft vom Glauben untergräbt laut Ouellet «auch die kirchliche Gemeinschaft, denn sie führt zu oft ungesunden Spannungen zwischen der an den Universitäten gelehrten Theologie und dem kirchlichen Lehramt».

Verbum caro factum est, das Wort ist Fleisch geworden. Das heißt: «Das ewige und göttliche Wort tritt ein in Raum und Zeit und nimmt ein Antlitz und eine menschliche Identität an». Die Abschlusserklärung der Synode führt so den zweiten Punkt des zum Abschluss der Arbeiten erstellten Textes ein. Das Wort Gottes zeigt sich dem Menschen in einer Beziehung, es hat ein Gesicht: Jesus Christus. Und der Freundschaft mit diesem Menschen hat der Papst einen der eindrücklichsten Abschnitte seiner Einführungsansprache gewidmet: «Bevor wir sagen können „Ich bin Dein“, hat Er bereits gesagt „Ich bin dein“… Durch sein Fleischwerden hat Er gesagt: Ich bin dein. Und in der Taufe hat Er zu mir gesagt: Ich bin dein. In der Heiligen Eucharistie sagt Er immer wieder neu: Ich bin dein, damit wir antworten können: Herr, ich bin Dein.» Dieser Dialog zwischen dem Schöpfer und seinem Geschöpf existiert in der Realität seit Anbeginn und ist nun zu einer familiären und alltäglichen Freundschaft geworden. Die Synodenväter haben von verschiedenen Gesichtspunkten her die entscheidende Bedeutung dieser Beziehung betont. Und so wurde die tiefe Gemeinschaft zwischen der jüngsten Bischofsversammlung und jener davor ersichtlich, die von Johannes Paul II einberufen und vom heutigen Benedikt XVI. geleitet worden war. Vor den Arbeiten zum Thema «Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche» waren die katholischen Bischöfe bereits 2005 nach Rom berufen worden, um an der Synode über die «Eucharistie: Quelle und Höhepunkt des Lebens und der Sendung der Kirche» teilzunehmen. Im nachsynodalen päpstlichen Schreiben nach Abschluss der Arbeiten vor drei Jahren wird die Eucharistie als «Sakrament der Liebe» definiert, als «Selbsthingabe Jesu Christi». Gerade in der Einführung dieses Textes zeigte sich teilweise bereits der Rote Faden, der die Synode zum Wort Gottes durchziehen sollte. Jesus offenbart uns die «unendliche Liebe Gottes zu jedem Menschen», die sich in der Eucharistie zeigt, als «die größte Liebe», und die dazu drängt, «das eigene Leben für die Freunde hinzugeben».
«Im Altarssakrament kommt der Herr dem als Abbild Gottes (vgl. Gen 1,27) geschaffenen Menschen entgegen und wird sein Weggefährte», heißt es in diesem Dokument. Diese Weggemeinschaft, diese stetige Vertrautheit, die den Menschen zu einer Beziehung mit dem Wort Gottes hin öffnet, hat in der Geschichte einen Ort: Dieser heisst Kirche. Die Abschlussbotschaft der Synode hat es in Anlehnung an die Worte in der Apostelgeschichte so beschrieben: «Sie verharrten aber bei der Lehre der Apostel und bei der Gemeinschaft, dem Brechen des Brotes und den Gebeten». Das sind die vier Säulen, auf denen gemäss Abschlussbotschaft das «geistliche Haus der Kirche“ ruht. Eine Gemeinschaft von Menschen, die von Christus ergriffen wurden, eine geschichtliche Realität, die aus jenen Menschen besteht, «die das Wort Gottes hören und in die Tat umsetzen», wie es im Lukasevangelium heisst. Die Kirche ist das lebendige Wort Gottes. Die Predigt, die Eucharistie, die Liturgie, das Gebet sind Ausdruck dieses Lebens, dieser Gemeinschaft mit dem Menschen, die Gott in der Geschichte herstellen wollte. Das ist eine unabdingbare Tatsache. Und die Synodenväter haben dies durch Erzählungen aus ihren Gemeinschaften dokumentiert: Von Pakistan, in dem die Christen eine kleine Minderheit darstellen, über die Philippinen, wo sich 80 Prozent der Bevölkerung als katholisch bezeichnet, über Kamerun, wo die Zahl der Gläubige stetig wächst, bis nach Europa, das Gott aus dem Alltag verdrängen will. Die Kirche, die an der Synode viele Sprachen gesprochen hat, ist dieselbe in New York oder auf den kleinen Mauritius-Inseln, aus denen der Bischof von Port-Louis nach Rom angereist war. In seiner Ansprache hat Bischof Piat alle Bischöfe an eine ebenso einfache wie entscheidende Tatsache erinnert: «Das Wort ist dann der Grundstein, wenn es als ein Ereignis Gottes aufgenommen wird, das uns von sich selbst spricht und sich an uns richtet wie an Freunde, um uns einzuladen, an seinem Leben Teil zu haben. Den Glauben vorzuschlagen bedeutet also nicht in erster Linie, einen beeindruckenden Inhalt zu übermitteln, sondern es bedeutet eine Einladung, die immer mit dem Versprechen „kommt und seht“ einhergeht.»

Der Ausruf von Paulus
«Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündige!» Dieser Ausruf von Paulus ertönte an der Synode immer wieder. Der Papst selbst wiederholte ihn in seiner heiligen Messe zur Eröffnung und zum Abschluss der Synode. Auch Kardinal Levada, Präfekt der Glaubenskongregation, erwähnte ihn, und zwar zu Beginn der Arbeiten: «Dieser Schrei von Paulus hallt auch heute in der Kirche mit grosser Dringlichkeit wider und er wird für uns Christen zu einer Aufforderung zum Dienst am Evangelium für die ganze Welt». Zeugnis für die Aktualität der Aufforderung des Menschenapostels gaben während der Synode insbesondere die Bischöfe aus Asien und Afrika. Von ihnen kam das Zeugnis von Gemeinschaften, die auch unter widrigsten Umständen und trotz Unterdrückung unentwegt ihren Glauben bezeugen, was sie manchmal sogar mit dem Leben bezahlen. Gerade während ihrer Versammlung erreichten die Bischöfe die Nachricht von der Gewalt gegen die indischen Christen in Orissa, in Karnataka und in Jharkand. Aus Irak kam die Meldung über neue Attentate gegen die kleinen verbliebenen Gemeinschaften von Mosul und der stetigen Flucht der Christen. Das lebendige Zeugnis, das aus diesen Gemeinschaften in die Synode getragen wurde, vereinte sich mit jenem der Bischöfe aller fünf Kontinente, deren Verlautbarungen immer wieder auf die notwendige neue Evangelisierung zu sprechen kamen. Das Leben der Kirche ist Sendung. Und viele haben an den Appell Jesu erinnert: „Die Ernte ist gross“. Wie der Papst selbst gesagt hat: «Viele Menschen ersehnen, manchmal ohne es zu wissen, die Begegnung mit Christus und seinem Evangelium; viele benötigen die Wiederentdeckung des Sinnes des Lebens in Ihm. Klar und gemeinsam von einem Leben gemäss dem von Jesus bestätigten Wort Gottes Zeugnis zu geben, wird gar zu einem unabdingbaren Kriterium für die Verifizierung der kirchlichen Sendung».