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Flugblatt / Eluana
«Es bräuchte eine Liebkosung durch den Mann aus Nazareth»
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Gemeinschaft und Befreiung, 10. Februar 2009

«Die Existenz ist ein Raum, der uns geschenkt wurde und den wir mit Sinn ausfüllen sollten, immer und unter allen Umständen.» (Enzo Jannacci, Corriere della Sera, 6. Februar 2009).
Doch kann man einem Leben wie dem von Eluana überhaupt einen Sinn geben?
Der Tod von Eluana hat diese Fragen nicht überflüssig gemacht. Im Gegenteil. Es ist noch lange nicht vorbei, so als ob die Hoffnung all jener, die sie noch am Leben wissen möchten, gescheitert wäre, oder als wäre es eine Erleichterung für jene, die ihre Situation als unerträglich empfunden hatten. Jetzt wird die Herausforderung erst recht ernst, und zwar für alle.
Der Tod von Eluana brennt wie ein Stachel: So wie jeder von uns sich bemüht, sein eigenes Leben mit Sinn zu erfüllen, müssen wir uns fragen: Welchen Beitrag haben wir für jene geleistet, die unmittelbarer von ihrer Krankheit betroffen waren, angefangen bei ihrem Vater?

Wenn uns die Wirklichkeit in die Ecke drängt, dann ist unser eigener Maßstab nicht mehr in der Lage, den Sinn zu finden, den wir so dringend brauchen. Besonders bei schmerzlichen und ungerechten Umständen, für die kein Ausweg oder keine Lösung in Sicht scheint, kommt die Frage auf: Was hat es überhaupt für einen Sinn? Ist das Leben etwa ein Betrug?
Das Gefühl der Leere macht sich breit, wenn wir Gefangene unserer eigenen, zum Maß aller Dinge reduzierten Vernunft werden, die unfähig ist, den Zusammenprall mit dem Widerspruch abzufedern. Wir bleiben verloren und allein mit unserer Ohnmacht zurück, mit dem Verdacht, dass im Grunde genommen alles Nichts ist.

Können wir ein Leben im Anblick einer Person wie Eluana «mit Sinn erfüllen»? Können wir das Leiden ertragen, wenn es unseren Maßstab sprengt? Allein sicher nicht. Es braucht die Begegnung mit der Gegenwart von jemandem, der jenes Leben, das wir selbst als verheerende Leere empfinden, ganz im Gegenteil als sinnerfüllt erlebt.

Nicht einmal Christus selbst blieb von der tiefen Erschütterung durch Schmerz und Leid bis zum Tod verschont. Doch was machte bei ihm den Unterschied aus? Dass er tapferer war als wir? Dass er mehr moralische Energie hatte? Nein, immerhin hat er im schlimmsten Moment seiner Prüfung gebettelt, dass ihm das Kreuz erspart bleibe. In Christus wurde der Verdacht überwunden, dass das Leben letztlich ein Scheitern ist: Die Beziehung zu seinem Vater hat gesiegt.
Benedikt XVI. betont, dass der Mensch «(...) die unbedingte Liebe (braucht). Er braucht jene Gewissheit, die ihn sagen lässt: „Weder Tod noch Leben (...) können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn (Röm. 8, 38-39).“ Wenn es diese unbedingte Liebe gibt, mit ihrer unbedingten Gewissheit, dann – erst dann – ist der Mensch erlöst, was immer ihm auch im Einzelnen zustoßen mag.» (Spe salvi 26).

Die Gegenwart Chisti ist die einzige Tatsache, die dem Schmerz und der Ungerechtigkeit einen Sinn geben kann. Die Positivität, die jede Einsamkeit und Gewalt überwindet, ist nur möglich durch die Begegnung mit Personen, die bezeugen, dass das Leben mehr wert ist als die Krankheit und der Tod. Für Eluana waren dies die Ordensfrauen, die sie Jahre lang gepflegt haben, weil, wie Jannacci schrieb, es auch heute noch «eine Liebkosung durch den Mann aus Nazareth bräuchte, denn uns fehlt diese Zärtlichkeit so sehr» – die Zärtlichkeit dieses Mannes, der vor 2000 Jahren zur Witwe von Nain gesagt hat: «Weine nicht!»